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Wir hatten gesagt, dass "Weltalter"
nur mehr ein Name sei, so irreführend wie "Welt" selbst,
wie "Erde", "Himmel", "Götter"
und ungezählte andere Stichworte, deren Bedeutung abhanden gekommen
ist. Dass wir in den meisten Fällen auch noch mit übersetzten
Namen zu tun haben, macht die Phänomene nicht gerade durchsichtiger.
Die Griechen sprechen von genos, zuweilen von xronos, die Römer
von aetas, genus, auch proles und progenies, Horaz einmal von tempus
; die Azteken nennen ihre Weltalter geradeheraus "Sonnen".
Selbstredend sollen genos, progenies usf. nicht in Zweifel gezogen
werden, aber ist das alles? D.h. wie steht es mit Aion? Die namenverleihende
Kommission hat ihn ausgeklammert. Wenn aber im Prediger Sal. 3.11
das Wort 'olam auftritt, so übersetzt die Septuaginta mit aión,
die Vulgata mit mundus. Auch finden wir uns dahingehend belehrt, dass
Hebräisch "our day" is used as a synonym for "this
world".
Alfred Jeremias konstatiert:"Die babylonisch-hebräische
Gottesbezeichnung ilu sagt über die Qualität des Gottesbegriffs
ebenso wenig aus wie das griechische theos.Aber sie wird mit Epitheta
verbunden, die tiefer blicken lassen: 'el 'olam 'Gott der Welt' im
Sinne der in Zeitläuften sich abrollenden Welt. l.Mos.21.33 pflegt
beim Heiligtum 'Siebenbrunnen' (Be'erseba) Abraham einen heiligen
Baum, und nennt seinen Namen Jahve 'el 'olam."
Warum das als "Gott der Welt im Sinne der in Zeitläufen
sich abrollenden Welt" zu verstehen sein soll, ist nicht recht
einzusehen. Abraham leitet ein neues Zeitalter ein und heißt
seither Abraham, vorher war sein Name Abram, er macht einen 'Neuen
Bund' - der mit Noah war anscheinend verjährt. Er pflegt eine
Tamariske oder pflanzt einen Baum und nennt ihn Jahve el 'olam - Jahve-Gott-dieses-Aions.
Entsprechend lautet das uns geläufige Wort aus dem Johannes-Evangelium
(18.36) vom Reiche Gottes, das nicht von dieser Welt sei, eigentlich
wörtlich: Sein Reich ist nicht von diesem Aion. Und noch in der
mittelalterlichen Heldensage kommt am Ende des Dietrich-Zyklus ein
Zwerg und fordert Thidrek von Bern auf sich von dannen zu begeben
: "Dein Reich ist nicht mehr von dieser Welt".
Mag Alfred Jeremias sich auch mit der im Deutschen besonders beliebten
Nicht-Precision ausdrücken, so hat er doch von der altorientalischen
und jüdischen Weltalterlehre mehr begriffen als die meisten seiner
Kollegen. Wenn er jedoch dazu übergeht, diese Kultur abzugrenzen,
verfällt er in die üblichen Unsitten. " '0lam",
wiederholt er, sei "Welt und Zeit im Sinne der Äonen, die
seit der Urzeit sich abrollen /jedes Wort ermangelt konkreten Sinnes/...
Der griechische Begriff der 'Ewigkeit' im Sinne endloser Zeit ist
dem Orient unbekannt.
Auch 'ewig leben' (hajah le'olám)
'wie Gott' (l.Mos.3.22; Hi.7.16) ist im Sinne der realen Äonen
gemeint, "Alles zugegeben, was er zum A. T. zu sagen hat; ansonsten
Njet! Die Griechen haben mit "Ewigkeit" so wenig im Sinn
gehabt wie die Orientalen, und das ganze ist nichts weiter als eine
grandiose Sprachschlamperei.
Zuvörderst denken wir da natürlich an unseren verehrten
Kronzeugen Anaximander, über den Cicero den Velleius sagen lässt
(De nat.De.1.25): Anaximandri autem opinio est nativos esse deos longis
intervallis orientis occidentisque, eosque innumerabiles esse mundos.
"Götter würden geboren in langen Intervallen des Aufgehens
und Untergehens, und sie seien un-gezählte Welten (oder die ungezählten
Welten) ."
Auch anderwärts wird uns berichtet, Anaximander habe ungezählte
Welten angenommen, und daraufhin muss, getreu der philologischen Devise
"entweder-oder" darüber gestritten werden, ob diese
ungezählten Götter, alias Welten, gleichzeitig im Raum,
oder nacheinander in der Zeit zu denken seien. Simplikios (Phys.p.1121,5
-R.P.21b -cf.Simpl. de caele p.202, 14) hat uns nun zwar unterrichtet,
Anaximander, Leukippos, Demokritos, und später Epikouros seien
der Ansicht, diese ungezählten Welten enstünden und ver-gingen
ad infinitum, einige entstünden jeweils und andere gingen zugrunde,
und dieses Zeugnis hätte das Augenmerk darauf lenken dürfen,
dass 'gleich-zeitig im Raum' und 'nacheinander in der Zeit' nicht
unbedingt eine Alter-native sein muss.
Augenmerk lässt sich aber so flugs nicht lenken, wie wir wissen,
und so befindet denn auch der englische Diels, John Burnet:
"Now it is much more natural to understand the "long intervals"
in space than as intervals of time; and, if this is right, we have
a perfect agreement among our authorities." Zeitcyklen sind mithin
unnatürlich und passen nicht ins Programm.
Dass Götter 'Welten' sind, die aufgehen und untergehen, ist nicht
auf den Alten Orient und Griechenland beschränkt geblieben. Percy
Smith, der die astronomische Überlieferung der Maori auf New
Zealand auf-genommen, übersetzt und kommentiert hat und sich
redlich bemühte, das ihm Diktierte zu begreifen, vermerkt über
das häufig vorkommende Wort Po:
"The ordinary meaning of Po is night; or a period of time; or
the aeons of darkness... prior to the birth of the gods." "These
aeons (po) seem to be personified, endowed with semi-personal and
material characteristics," Personifizierte Äonen, ausgestattet
mit halb-persönlichen und materiellen Eigenschaften. Nicht anders
lauten Nachrichten aus China, wo Werner's Dictionary of Chinese Mythology
uns über 3 der Urkaiser unterrichtet, die sog."San Kuan",
Yao, Shun und Yü:
"These three rulers, now a peculiar Taoist triad of subordinate
divinities, presiding over heaven, earth, and water... were originally
vast periods of time, like a geolegical epoch, but were subsequently
personified and deified."
Zurückkehrend zu unseren gelehrten
Rabbinern, finden wir da merkwürdige Kommentare zu uns angeblich
ganz vertrauten Vorstellungen. Das 2.Buch Mose 20.Kapitel enthält
die heiligen zehn Gebote, worunter "Du sollst dir kein Bildnis
noch irgendein Gleichnis machen, weder des, das oben im Himmel, noch
des, das unten auf Erden, oder des, das im Wasser unter der Erde ist."
Nach Verkündigung der Gebote
heisst es 20.18:
Und alles Volk sah den Donner und Blitz und den Ton der Posaune und
den Berg rauchen.Da sie aber solches sahen, flohen sie....
21.... aber Mose machte sich hinzu in das Dunkel, darin Gott war.
22. Und der Herr sprach zu ihm: Also sollst du den Kindern Israel
sagen: Ihr habt gesehen, dass ich mit euch vom Himmel geredet habe.
23. Darum sollt ihr nichts neben mir machen; silberne und goldene
Götter sollt ihr nicht machen."
Dazu nun sagt ein Targum (zu 20.23):"Macht
euch nicht zum Zwecke der Anbetung Bilder von Sonne und Mond, Sternbildern
und Planeten oder von Engeln, die vor mir dienen". Und der Talmud-Traktat
Ro haanah 24 sagt zu der gleichen Exodus-Stelle:"Macht
euch keine Götter nach dem Bilde der Geister, die vor mir dienen
in der Höhe", und führt dann als erste Gruppe solcher
Geister, nach deren Bilde man sich keine Götter machen soll,
an, die 'Ophanim', das sind'Zeitperioden'.
Sie sehen, denke ich, in welch abträglichem Made nichts-sagende
Namen
den Blick verstellen: Götter, Geister, Engel usf. Wenn Sie bedenken,
das 1. das auserwählte Volk sich von allen hartnäckigen
Gestirnanbetern unterscheiden sollte -die Thora kommt wieder und wieder
auf dieses Spezialanliegen zurück - dass 2. Chwolson uns in seinem
Meisterwerk "Die Ssabier und der Ssabismus" alle arabischen
Berichte über die Gepflogenheiten der alten Harranier gesammelt
und kommentiert hat, worinnen wir eingehend über Bilder, Amulette,
und Tempel von Planeten und Konstellationen unterrichtet werden, und
wenn Sie sich obendrein an die Worte des Chairemon über die ägyptische
sog.'Religion' erinnern, so dürfte der Schluss Sie nicht verwegen
anmuten, dass nämlich alle ur-urigen 'Bilder' und 'Gleichnisse'
solche von Sonne, Mond und Planeten, Konstellationen,
Dekanen usf. sind (s. 17A). Aber eben auch ausdrücklich Bilder'-Gleichnisse
von 'ophanim', und 'San Kuan und 'Po' und diese sind, in der Tat,
schwer zu verdauen für unsereins, der nun einmal auf Raum gedrillt
ist. Gleichwohl bezeugen die Parallelen, dass Anaximander recht gut
Bescheid gewusst hat, weit besser als seine Interpreten, dass Talmud
und Midrashim vom Alten Testament mehr verstehen als unsere Theologen.
Was das taoistische Trio anlangt: Versuchen Sie nur einmal sich den
zitierten Unsinn wirklich vorzustellen, dass ursprünglich riesige
Zeitperioden in der Folgezeit sollen "personifiziert und vergöttlicht"
worden sein.Und dass dieses, laut Herrn Werner "untergeordnete"
göttliche Trio promovierter Zeitperioden über Himmel, Erde
und Wasser herrscht - von deren Bewohnern Jahve nicht will, dass man
sich Bilder mache.
Da haben wir schon wieder leere Worte: Himmel, Erde und Wasser, aber
einige von Ihnen wissen schon Bescheid, wo ungefähr man diese
zu suchen hat. Wir müssen natürlich darauf zurückkommen;
vorderhand nur so viel: diese drei Bereiche (oder Welten) finden wir
im gesamten Hochkulturgürtel unter verschiedenen Namen (Himmel,
Erde, Wasser unter der Erde; Himmel, Erde, Unterwelt; Welt der Götter,
der Lebenden und der Toten, usf. In Babylonien tragen sie die Namen
"Wege des Anu, Enlil, und Ea", wobei Anu die Mittelzone
regiert, den Streifen von rund 17 Grad nördlich des Himmelsäquators
bis rund 17 Grad südlich des Äquators; die Zone nördlich
von der des Anu untersteht Enlil, die südlich vom Anu-Weg gelegene
Ea. Zu beachten ist, dass dem Anu zwar der Löwenanteil des Zodiaks
gehört, dass aber auch Enlil und Ea Grundstücke innerhalb
der bewohnten Zodiakalwelt zwischen den Wendekreisen besitzen. Ea,
sumerisch Enki, als der bei weitem spannendste des Pantheons, wird
uns weiterhin beschäftigen - er haust im Apsu, genauer gesagt
in Eridu, am Zusammenfluss der Ströme, d.i. der südliche
Circumpolarstern Canopus am Steuerruder der Argo, von wannen berufene
Weltherrscher zu Beginn eines neuen Zeitalters die 'Schöpfungsmaße'
zu besorgen haben. Dass auch diese Vorstellung von einem Ministerium
für Maße und Gewichte im Umkreis des himmlischen Südpols
der Bibel nicht fremd ist, sei Ihnen nicht verschwiegen.Bloß
kann man sie unter der Vermummung der Übersetzungen nicht finden.
Da heißt es im Psalm 36.6 "Deine Gerechtig steht wie die
Berge Gottes, und dein Recht wie eine große Tiefe." So
Luther. Bei Kautzsch liest es sich: "Deine Gerechtigkeit ist
wie die Berge Gottes, deine Gerichte (wie) die große Flut."
Was täte man ohne Alfred Jeremias, der es wörtlicher nimmt
"deine Satzungen (sedekot) die große "Tehom",
und die LXX (Septuaginta), die abyssos übersetzt, wie es sich
gehört - und abyssos ist direkt aus dem Babylonischen ins Griechische
übernommen worden -apsu, Sumerisch ab-zu, und apsu ist nicht
allein die maß-gebende Tiefe des Meeres, sondern speziell ein
Cubus, und als im Gilgamesh Epos Utnapishtim seine Arche baut, heißt
Ea ihn sie zu bauen "wie den Apsu". (Der so oft gescholtene
Plutarch sagt ja auch, die Pythagoäer nennten Poseidon proton
kybon, den ersten Würfel.
Hiervon, wie gesagt, später mehr. (Der Würfel stimmt, der
Poseidon als erster schwerlich). Gehen wir kurz zurück zu den
drei chinesischen untergeordneten Göttern, von denen Ihnen zwei
wohlbekannt sind -Yao als einer der untadeligen Bogenschützen,
der Große Yü als der Wasserbau-Ingenieur, der nach der
Flut Ordnung schaffte, ferner in seiner Eigenschaft als Besitzer des
Kammertons-A, und obendrein ist der ihm zugeordnete Tanzschritt, le
pas de Yü, Ursa maior. Dass sie vor urlangen Zeiten abgedankt
sind, diese Kaiser, die von diversen Euhemeristen noch vor wenigen
Jahrzehnten für regelrechte herrscher Chinas gehalten worden
sind, steht außer. Frage. Aber wie steht es denn mit Anu und
Ea. Anu wurde abgelöst durch seinen Sohn Ea, und der verzichtet
im Enuma elish feierlich auf weitere Herrschertätigkeit, und
gibt seinem Sohn Marduk sogar seinen eigenen Namen - da haben wir
also auch mit abgelebten 'Gottheiten' zu tun. Es ist übrigens,
diversen Texten zufolge, bei der Amtsübergabe an Bel/Marduk nach
der Weltalter-Schablone vom echten Schrot und Korn hergegangen, nicht
so harmlos, wie es im Enuma elish aussieht: Bel hat dem Anu den Kopf
abgeschlagen, die Haut abgezogen und eine Trommel damit bespannt,
anderntags werden den Angehörigen der anderen Partei die Augen
ausgerissen. Solches, wenn man wörtlich nehmen wollte!
Von den Azteken hören wir bei Sahagun, dass Xiuhtecutli etwa,
der Feuergott, der im Nabel der Erde wohnen soll, "zu den alten,
minderen Göttern" gehöre. Vom Kukumaz der Quiché
Maya- das ist der nämliche wie der aztekische Quetzalcouatl,
die gefiederte Schlange, der vertriebene Herrscher des goldenen Tollan
- wird gesagt, er sei das "Herz des Meeres".Entsprechend
ist der abgedankte König des indischen Krta-Yuga und Herr des
Rta, der Maßnorm, Varuna, der Herr der Wassertiefe. Preller-Robert
belehren uns, die Griechen hätten alle Meergötter für
alt gehalten, ob Nereus, Proteus, Phorkys ("der in der orphischen
Litteratur neben oder statt des Okeanos genannt wird") usw.
Dies 'alten' Götter sind doch wohl so minder nicht -warum sie's
nicht sind, das eben ist so schwer zu begreifen. Und wir können
nicht einmal den Euhemerismus ganz allein für schuldig erklären,
obwohl er uns natürlich unaufhörlich in die Quere kommt;
in erster Linie dank eines unausrottbaren Wortgebrauchs, vor dem nicht
genug gewarnt werden kann, weil wir nun einmal Sklaven unserer Sprache
sind. In unserem Kulturkreis rechnet man immer mit 'Meinungen' und
'Ansichten'; alle unsere ethnographischen, religionshistorischen Bücher
etc. bedienen sich tagaus tagein solcher. Sätze wie "XYZ
glauben nämlich, dass". Es wird niemals und unter keinen
Umständen auch nur in Erwägung gezogen, dass man weder mit
Ansichten, noch mit Glauben könnte zu tun haben, vielmehr mit
Fakten, über die sich garnichts anderes sagen lässt als
das, was XYZ als "Glaube" angekreidet wird. Nehnen wir ein
paar willkürlich herausgegriffene Beispiele.
Wenn Gruppe den griechischen Götterstaat beschreibt, stellt er
- gekürzt - fest:
"Das Göttervolk besteht... aus denjenigen Gottheiten, die
durch ihre Namen offenbar an ein bestimmtes Naturobjekt, an eine bestimmte
Zeit oder an eine bestimmte Funktion gebunden waren ....Zu Titanen
eigneten sich besonders solche Wesen, die... im Kultus hochgefeiert
wurden, jedoch nicht in der Zeit und in den Landen der Dichter."
Da haben wir's:"nicht in der Zeit und in den Landen der Dichter"
- ob "Titanen" nicht Entitäten sein könnten, von
denen man per Fachterminus nicht nur sagen kann, sondern objektiv
feststellen muss, sie seien "gestorben", die Frage wird
prinzipiell nicht gestellt. Jedenfalls nicht von Schriftgelehrten
- von dem Astronomen Martin Knapp hatte ich Ihnen einmal berichtet,
dass er den Sturz der Engel im Henoch-Buche als Sinken des Antares,
alpha Scorpii, unter den Äquator deuten möchte. Da diese
Engel von Azazel angeführt sind, und den erkennen die rabbinischen
Schriften ausnahmslos als den Planeten Mars an, so ist dieser Vorschlag
so übel nicht: den Ant-Ares zu einem der wichtigsten Fixstern-Stellvertreter
des Mars zu ernennen, ist nicht auf griechischem Mist gewachsen. Natürlich
ist's noch viel schlimmer in Ägypten, wo männiglich vom
Aufkommen und der Ausbreitung des Osiris-Kultes spricht und Stein
und Bein schwört, früher hätte es ihn, den Osiris,
nicht gegeben. Dass er uns vom ersten Augenblick an als Mumie entgegentritt
....papperlapapp. Dass es da noch eine Mumie gibt, die anscheinend
älter ist, den Ptah nämlich, den Manetho, und wen sonst
wir an alten Chronologen haben, an den Anfang, den allerersten Anfang
stellen ....papperlapapp hoch drei: das ist ein Lokalgott von Memphis,
und die memphitische Priesterschaft hat ihn zu ganz unangemessener
Bedeutung aufgeblasen. "Space is so much more natural",
das wissen Sie ja schon.
Ein weitaus putzigeres Beispiel für solch euhemeristisches, anti-copernikanisches
Prinzip liefert uns ein ansonsten durchaus aufmerksamer Altorientalist,
Eric Burrows, S.J., der sich über mesopotamische Tempel folgendermaßen
ausspricht:
"one might almost formulate a law that in the Ancient East contemporary
cosmological doctrine is registered in the structure and theory of
temples."
Da kreisen denn also die kosmologischen
Doktrinen wie die Epizyklen um die von Ewigkeit zu Ewigkeit fixen
Behausungen der Götter - verglichen mit solchem Unfug waren die
Geozentriker Waisenknaben! Zumal wir doch wieder und wieder informiert
werden -angefangen mit den Gudea-Zylindern - dass jeder Tempel sein
Horoskop hat. Das Gleiche gilt, wie Einige unter Ihnen wissen, von
den mesopotamischen Grenzsteinen, den Kudurrus, die für unterschiedliche
"Weltbilder" erachtet werden, oder von den berühmten
Schildbeschreibungen - so als habe Homer ein Weltbild gehabt, als
er den Schild des Achilles, ein anderes, als er den des Agamemnon
beschrieb, der Hilfsschüler Hesiod hatte dann wieder ein anderes,wie
man aus dem Herakles-Schild ersehen kann, und Vergil beglückt
uns mit einem vierten, dem des Aeneas, das doch so unmissverständlich
das Horoskop der Roma aeterna widergibt. (Als Krone der serienmässigen
Herstellung von Weltbilder werden wir wohl den Aischylos anerkennen
müssen: er hat jedem seiner 7 vor Theben einen eigenen Schild
zugedacht).
Ein letztes Beispiel serviere ich
Ihnen nur partiell - weil ich andernfalls in eine Stunden lang anhaltende
Raserei ausbrechen würde, und zwar speziell aus dem Grunde, weil
es in einem Paperback steht, d.h. in der billigsten überhaupt
habhaften Reihe, den Mentor Books, mit denen sich mühelos eine
ganze Generation von Kindern verführen lässt. Da hören
wir in dem Band über die Maya u.a. :
"The Mayas believed that time was cyclical ...The Maya had not
one calendar but three" (gemeint sind die 365 Tage, der Tzolk
von 260 Tagen und der long count).
"Maya astronomers calculated that the synodical revolution of
Venus took an average of 584 days.The count made by modern astronomers,
using precise instruments, is 583.92..."
Gott schütze uns vor modernen
Astronomen, die es nicht besser wissen als 583.92 Tage, oder sich
mit den - uns popligen Laien bekannten - 583.92135 Tagen begnügen.
Aber abgesehen davon, wie stellen sich solche vernagelten Hohlköpfe
wie dieser von Hagen vor, wie es sich mit cyklischer Zeit umgehen
lässt, w e n n er doch wenigstens soviel weiss, dass die Maya
glaubten, Zeit sei cyklisch? Wenn they calculated an average of 584
days, was hat solch Journalist denn für bessere Annäherungswerte
vor-zuschlagen? Ohne näher darauf einzugehen: der aufgelaufene
Fehler zwisch der angenäherten Venus und der richtigen, und zwischen
dem 'Jahr' in Anführungszeichen, zu 365 Tagen und dem richtigen,
wurde nach 104 Jahren, d.i. 146 Tzolkin korrigiert. Das ist es nun
einmal, was cyklische Zeit meint: dass man geduldig warten muss, bis
aufgelaufene Fehler der Umlaufszeiten ganze Tage ausmachen. Und dann
nimmt man, wenn man gute Nerven hat und so eminent sachverständig
ist wie die Maya, nicht die "erste Gelegenheit beim Schopf",
um flugs zu schalten, sondern man wartet, bis mehrere Umläufe
sich gleichzeitig auf dezente Weise korrigieren lassen; im Falle der
104 Jahre der Maya: bis sich Jahreslänge, Venusrechnung, und
Finsterniscyclus gleichzeitig 'bereinigen'lassen.
Es ist, objektiv, überaus schwierig,
den toten und den lebenden Göttern auf der Spur zu bleiben.In
erster Linie, weil die 'Eingeweihten' manchmal fortfahren, den umlaufenden
Gott bei dem alten Namen zu nennen, der eigentlich nur dem Toten gebührt,
während andere sich strikt an die Regel halten, den Namen des
Verstorbenen unter keinen Umständen für einen lebende: Gott
zu benutzen. Homer etwa hält sich streng daran. Kronos ist ein
für allemal aus dem Spiel, und wir dürfen raten, ob zur
Zeit des Odysseus der Saturn Radamanthys heisst, oder Minos. Hesiod
und Pindar sind entgegenkommender.
So lässt Hesiod uns wissen, dass Kronos begnadigt wurde, er sagt
aber nicht wann, und bei Pindar richten Kronos und Rhadamanthys die
Toten. Eines scheint mir hinreichend sicher, dass man nämlich
nicht die 'Dichter' gegeneinander ausspielen darf: mit dem "dichten"
verhält es sich genau so wie mit dem "glauben" - an
die Möglichkeit, dass Dichter an Fakten gebunden sein konnte,
wird nie gedacht. (Selbstredend wird das Dazwischenfunken 'dichterischer
Freiheit' so wenig abgeleugnet wie Schreibfehler ägyptischer
und babylonischer Sekretäre, aber auf diese Sündenböcke
sollte man erst zurückgreifen, wenn alle Möglichkeiten,
eine Textstelle zu erklären erschöpft sind, anstatt sich
jeder Denktätigkeit zu entschlagen und spornstreichs Schreiber
zu beschuldigen). Zudem müssen wir natürlich im Auge behalten,
dass -sollte es sich etwa herausstellen, dass Minos und Rhadamanthys
Saturn-Namen sind - wir in jedem Falle mit zeitgerechten Benennungen
des "untergeangenen" Kronos zu tun haben, denn der Saturn
als solcher läuft schließlich weiter um, auch nachdem er
die Herrschaft verlor. Unter wievielen Namen er solches tut, ist nicht
so leicht auszumachen; in jedem Falle sind Prometheus und Hephaistos
darunter. Der orphische Hymnus an Kronos redet diesen direkt an mit
den Worten "immer junger, alles verschlingender und wieder zeugender
Sohn des Aion, polymetis Titan, Sohn von Ouranos und Gaia, festes
Band der Welt, verehrungswürdiger Prometheus." Dass Hephaistos
der Saturn ist, ergibt sich schon aus seiner Gleichsetzung mit dem
ägyptischen Ptah, Herrn der Triakontaeteris - und wenn wir nicht
ohnedies ausreichendes Material hätten, könnten wir immer
noch auf ein Scholion zu Sophokles 0.C.56 zurückgreifen, das
besagt: ho men Prometheus protos kai pre byteros en dexia skeptron
echon, ho de Hephaistos neos kai deuteros. (Prometheus als erster
und älterer hielt das Szepter in der Rechten, Hephaistos später
und als zweiter).
Es ist indessen der helle Wahnsinn, sich mit Details, auch noch rein
griechischen anzulegen; im Moment kommt es mir nur darauf an, auf
ganz wenige der ungezählten Indizien hinzuweisen, die "offiziell"
mit Weltaltern nichts zu tun haben, bezw. zu tun haben sollen, wenn
man gleich ohne sie
den Charakter von Weltaltern nicht begreifen kann, oder, wenn man
es 'begreifen' könnte, so doch ihr Gewicht nicht spüren,
und ihre Tragik nicht ermessen kann.
Es gibt da ein Ereignis, über das wir auch schon in anderem Zusammenhang
gesprochen haben, das recht unmissverständlich einen bedeutenden
Zeiteinschnitt markiert, ohne dass sich vorderhand sagen ließe,
welcher; eines, das gleichwohl geeignet ist, uns das ursprünglich
einmal vorhanden gewesene Gewicht fühlbar zu machen, und zwar
gerade darum, weil alle erhaltenen sog. Versionen auch nur noch 'gefühlt'
und nichts mehr wirklich verstanden zu haben scheinen: der Tod des
Großen Pan.
Plutarch, bezw. ein Teilnehmer an dem Dialog "De defectu oraculorum"
(41 9BC), Philipp, berichtet, im Zusammenhang mit Ugygia, Folgendes:
Über den Tod von diesen (Daemonen) habe ich Folgendes gehört,
von eine Manne, der weder ein Tor noch ein Angeber war.Der Vater des
Orators Aemilianus..., Epitherses lebte in unserer Stadt und war mein
Grammatik-Lehrer. Er berichtete von einer vormals unternommenen Reise
nach Italien auf einem Schiff, das Fracht und viele Passagiere geladen
hatte. Es war schon Abend, als, nahe bei den Echinaden-Inseln, der
Wind einschlief, und das Schiff nach Paxi trieb. Fast alle Passagiere
waren noch wach, und viele hatten noch nicht einmal ihren Abendessenwein
ausgetrunken. Plötzlich ließ sich von der Insel eine Stimme
hören, die schallend (boe kalountos) nach Thamus rief, zu aller
Erstaunen (hoste thaumazein). Thamus war ein ägyptischer Pilot,
der vielen an Bord nicht einmal dem Namen nach bekannt war.Zwei Male
wurde er angerufen, ohne zu antworten, beim dritten Male meldete er
sich. Der Rufer steigerte seine Stimme: "'W'enn ihr nach Palodes
kommt, so verkünde, der Grosse Pan sei tot." (hopotan gene
kata to Palodes, apaggeilon hoti Pan ho megas tethneke).
Alle, die es vernahmen, sagte der Epitherses, waren verwundert und
diskutierten darüber, ob es besser sei, den Auftrag auszuführen,
oder ob man sich besser zurückhalten solle (me polypragmonein
-nicht den busybody spielen). Der Thamus beschloss, wenn Wind aufkommen
sollte, so wolle er dort vorübersegeln und sich still verhalten,
im Falle einer Flaute aber und bei glatter See werde er verkünden,
was er gehört. Als sie hernach kata to Palodes kamen und es weder
Wind noch Wellengang gab, da rief Thamus vom Heck des Schiffes aus
, mit dem Gesicht gegen das Land (ek prymnes bleponta pros ten gen)
die Worte, wie er sie gehört hatte, ho megas Pan tethneke Noch
bevor er fertig gesprochen hatte, erhob sich lautes Jammern, nicht
nur von einer Person, sondern von vielen, darunter Ausrufe höchsten
Erstaunens.
Da auf dem Schiffe viele Personen waren, wurde das Erlebnis in Rom
schnell überall herum erzählt, und der Kaiser Tiberius ließ
den Thamus holen.Tiberius wurde so überzeugt von der Wahrheit
des Berichteten, dass er Untersuchungen und Nachforschungen über
Pan anordnete. Und die zahlreichen Philologoi an seinem Hofe kamen
überein, es müsse der Pan sein, dessen Eltern Hermes und
Penelope waren."
Unter philologoi sind nicht etwa Philologen zu verstehen, sondern
in erster Linie Gelahrte der Himmelskunde, unter denen der Kaiser
Tiberius selbst nicht der schlechteste gewesen ist. Wenn Sie nur so
einen einzigen Satz ein Weilchen in ihrem Gehirn hin- und herwenden,
anstatt ihn so schnell aus dem rechten Ohr herauszujagen, wie er durch
das linke eingedrungen ist, so wird es Ihnen nicht verborgen bleiben,
dass diese Sachverständigen einen Fachjargon sprechen, von dem
wir off-hand nichts verstehen. Und auch fürder hin schwerlich
etwas verstehen werden, wenn sich niemand um diese numerierten Götter
kümmert die wir bei Cicero, Diodor, bei Nonnos, in Indien vom
Rgveda bis in die Puranas treffen - solange man sie gleichzeitig im
Raum sucht, werden sie sich uns nicht zu erkennen geben. Der Hermes,
den die Hofastrologen hier zum Vater dieses speziellen Pan machen,
ist der. 3.Hermes laut De nat.deorum 3.56, und seine Verbindung mit
Penelope folgt zeitlich der Odyssee.
Im Westen ist diese merkwürdige Geschichte in der Folk-Lore lebendig
geblieben, von den Alpentälern der Schweiz und Tirols bis nach
Schleswig, von der Lausitz bis England.Wilhelm Mannhardt hat die Sagen
in seinen"Wald- und Feldkulten" (Berlin 1875,1877) zusammengestellt,
aber schon Jakob Grimm war sie aufgefallen, und Felix Liebrecht hat
sie mit östlichen Traditionen verglichen. Die Tiroler nennen
ihre, vorwiegend weiblichen, Wildleute Fanggen und schreiben ihnen
einerseits recht abscheuliche Gewohnheiten zu - z.B. Kinder zu verspeisen
(Von einer heisst es:"Wenn sie kleine Buben zu fassen bekam,
so schnupfte sie dieselben wie Schnupftabak in ihre Nase, oder rieb
sie an alten dürren Bäumen, die von stechenden Ästen
starrten, bis sie zu Staub geraspelt waren"), andererseits treten
sie freiwillig bei Menschen in Dienst und bringen dem Hauswesen viel
Segen. Ihre Seelen sind an Bäume gebunden, und wird solch Baum
gefällt, so verschwindet die Fangga.
Das häufigste Schema der Geschichte ist, dass der Dienstherr,
bei dem eine Fangga als Magd dient, vom Markt oder vom Holzschlagen
nach Hause geht, von einer Stimme aufgefordert wird zu verkünden,
X sei gestorben, dass er zuhause die Begebenheit erzählt, worauf
das Fanggenmädchen aufspringt, jammert, fortläuft und nie
wieder gesehen wird. In 80 % der Fälle wird der Dienstherr von
der Stimme per "Jochträger" angeredet.
"Jochträger, Jochträger,
sag der Stutzkatze, die Hochrinde sei todt" "Jochträger,
sag der Gloria, der Kanzelmann sei gestorben"; "Jochträger,
sag der Buchrinden, Giki-Gäki sei todt auf Hurgerhorn."
"Einem Bauern in Tirol bot eine Magd ihre Dienste an, unter deren
Händen sein ganzes Hauswesen, besonders der Viehstand, wie mit
einer Fülle von Segen über-schüttet gedieh. Einst sassen
sie beim Mittagessen, als dreimal eine unsichtbare Stimme durchs Fenster
ertönte:"Salome komm!" Die Magd sprang auf und verschwand
und sogleich wich der Segen vom Hause. Einige Jahre später ging
ein Metzger um Mitternacht durch den Hohlweg von Saalfelden im Pinzgau.
Da rief eine Stimme aus der Felswand:"Metzger, wenn du bei der
langen Unkener Wand vorbeikommst, so rufe in die Spalte hinein 'Salome
ist gestorben'!" Noch vor Tagesanbruch an die lange Wand gekommen
ruft er das Aufgetragene dreimal hinein.Da ertönte aus der Tiefe
des Berges ein lautes vielstimmiges Wehklagen und Jammern, und der
Metzger eilte voll Schrecken seines Weges.
Häufig leitet diese Botschaft das Verschwinden einer ganzen Art
von sog. Geistern ein, Buschmännchen, Holzweibchen, Zwerge .
In Westfalen wird eine Zwergenhochzeit dadurch gestört, dass
ein Zwerg hereinstürzt und ruft: "0 große Not, die
Mutter Pumpe ist todt!", worauf das kleine Volk wehklagend die
Flucht ergreift. Oder es heisst "Urban ist tot", oder "Der
König ist tot" - in Schleswig:"No is Pippe Kong dod."
Zwerge lassen sich über die Ems setzen, um das Land für
immer zu verlassen, indem sie klagen:"der. König ist tot".