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Das Ansagen des Todes eines Königs, eines Baumgeistes usf. hat
zuweilen den Auszug von Elben und Zwergen zur Folge; in anderen Fällen
verschwindet nur das wilde Waldfräulein, dem die Mitteilung zugedacht
war.
Wessen Tod wem mitgeteilt wird, bleibt völlig im Dunkeln in einem
Bericht über eine Art von Geistern in der Normandie, die "Lubins".
Sie verkleiden sich als Wölfe - m.a.W. es sind Werwölfe
- die sich nachts herumtreiben und versuchen, in Friedhöfe einzudringen,
Äusserst ängstlich sollen sie sein, und der grösste
unter ihnen, ein ganz schwarzer, führt das Rudel an.Bei dem leisesten
Geräusch gibt dieser beherzte Leitwolf das Signal zur Flucht.
Aussitôt et sans calculer les chances du combat, tous s'enfuient
en criant: "Robert est mort! Robert est mort!"
Nichts ist geeigneter als dergleichen absurde stories wie die von
den Lubins, um die Gedankenlosigkeit der Interpretationen darzutun,
die es mit dem unerschöpflichen Born der Volksseele und der allenthalben
tätigen 'mythenbildenden Phantasie' halten. Die Beharrlichkeit,
mit der solche jeder Pointe er-mangelnden Anekdoten landauf und landab
erzählt werden,ist der beste Beweis, dass es sich um unverstandene
survivals handelt, die vor Zeiten einmal so gewichtig waren, dass
sie aus der Tradition nicht auszumerzen sind.
Die Zeit reicht nicht, um die Werwölfe, die da rufen "Robert
est mort" in angemessener Ausführlichkeit aufzuklären;
sie werden weniger und weniger sinnlos, wenn man sie zurückverfolgt
über die römischen Lupercalien, und
von dort zurück zu dem mythischen Ort, woher die Römer ihre
Lupercalien importiert haben, zu dem Berge Lykaion, dem Wolfsberg,
in Arkadien, wo die Institution der Werwölfe sozusagen eingerichtet
wurde . Auf diesem Berge befand sich die erste Stadt der Welt, Lykosoura,
gebaut von Lykaon, dem ersten Baumeister, von dem alle anderen abstammen,
und dem Begründer der lykaischen Spiele (agona lykaia), die im
Pan-Heiligtum am Abhang des Berges abgehalten wurden. Dieser verdienstvolle
Mann, dessen Tochter keine geringere war als Kallisto oder Helike,die
Zeus nebst ihrem Sohn, dem Lykaon-Enkel Arkas an den Himmel versetzte:
Ursa maior und Arktophylax = Bootes - nach ihnen heißt der nördliche
Himmel Axis Lykaonia - dieser doch recht verdienstvolle Städtebauer
setzte dem Zeus, der ihn verkleidet besuchte, Menschenfleisch vor,
worauf Zeus ergrimmt den Tisch umwarf und den Lykaon (Text?) in einen
Wolf verwandelte. Und seit Lykaons Zeit verwandelte sich bei jedem
Opfer an Zeus Lykaios ein Mann in einen Wolf. Enthält er sich
als solcher des Menschenfleisches, wird er nach neun Jahren (sagt
Pausanias) wieder zum Menschen; anderen falls bleibt er für immer
ein Wolf. Kurz nach Umwerfen des Tisches und Wolfsverwandlung setzte
es die Deukalion-ische Flut. Bei Ovid ist es justament das Benehmen
des Lykaon, das Zeus zur Veranstaltung der Flut veranlasst, die das
Eiserne Zeitalter abschloss. Wir kommen darauf zurück.
Was den Bericht des Plutarch über
den Tod des Großen Pan anlangt, so hat man den unbekannten Piloten
Thamus für eine Verdrehung gehalten, d.h. Thamus müsste
Tammuz sein, und sein Tod sollte angesagt werden, anstatt dass er
eines anderen Tod, hier den des Pan ankündigte. Solche Verwechslungen
sind durchaus möglich, die Erklärung hört sich ganz
plausibel an - bloß: jene sonnigen Älpler, die denjenigen,
der den Tod ansagt, mit "Jochträger" anreden, die haben
ihre Geschichten nun einmal nicht selbst erfunden. Derjenige, der
den Tod ansagen muss, ist nicht ein schlichter Metzger, oder ein Lotse,
den keiner kennt, er ist ein Jochträger, der sagt, was die Stunde
geschlagen hat, die einen sterben lässt und den anderen in ein
Amt einweist.
(Hierzu eine groteske Variante, die in England und Norddeutschland
erzählt wird -Mannhardt 1,93 - Die englische lautet:"In
einem verfallenen Hause ist Katzenversammlung, die ein Mann belauscht.Da
springt die eine Katze auf die Mauer und ruft:Sage Dildrum, dass Doldrum
todt sei.Der Mann erzählt dies beim, Abendessen seiner Frau,
da springt seine Lieblingskatze... auf und auf nimmer Wiedersehen
in den Kamin mit den Worten 'Mord und Doldrum ist todt?' Eine deutsche
Variante lässt die Katze mit den Worten aufspringen: 'So bin
ich König der Katzen!'." Der erzählte Fall von der
Salome war ähnlich: erst wurde sie von der Familie des Dienstherrn
weggeholt, und erst "nach ein paar Jahren" muss jener Metzger
verkünden, die Salome sei tod, worauf Gejammer erfolgt.)
Sie möchten nicht gerne ein verschreckt
davonstürzendes Dienstmädchen oder eine Hauskatze für
den 'Nachfolger' des Großen Pan halten - wir haben noch viel
ärgere Fälle sogenannten 'gesunkenen' Wissens; allerdings
kann ich Ihnen nicht erklären, woher die Vorliebe der Alpenbewohner
für Dienstmädchen als Ersatz griechischer Götter stammt.
Der Volkskundler Leopold Schmidt aus Wien hat eine in den Oesterreichischen
Alpentälern erhaltene Tradition gesammelt und unter dem Titel
"Pelops und die Haselhexe" publiziert. Da sind wieder brave
Dienstmädchen zugange, die dem Hauswesen Segen bringen, aber
früher oder später stellt sich heraus, dass eine ihrer Schultern
nicht aus Knochen ist, sondern aus einem Haselzweig. Pelops hatte,
wie Sie wissen, eine Elfenbeinschulter - d.h. er bekam eine. Tantalos
hatte Zeus und die anderen Götter zum Essen geladen, und setzte
ihnen seinen Sohn Pelops als Fleischgericht vor, wie Lykaon dem Zeus
seinen Sohn Nyktinos. Die Götter merkten, was los war und assen
nichts, aber Demeter, in Gedanken an die verschwundene Kore verloren,
verspeiste das Schulterblatt. Als die Götter den Pelops hernach
wieder zum Leben erweckten, wurde die fehlende Schulter durch eine
aus Elfenbein ersetzt.
Was mich hindert, der Verwechslungstheorie rund um den Thamus beizupflichten
ist der Umstand, dass der Pilot Thamus seine Botschaft vom Schiffsheck
aus verkündet - ek prymnes bleponta pros tén gén.
Das scheint Ihnen prima vista kein Grund für gleichwelche Einschränkungen.
Sie werden mir aber zugeben, dass der Pan-Bericht beim Plutarch einerseits
reichlich knapp ist, und dass es andererseits völlig gleichgültig
sein sollte, ob der Pilot Thamus vom Vorderdeck aus ruft, oder vom
Achterdeck, oder auch vom Mast aus.
Nun hab ich einen ganz unzeitgemäßen Respekt vor dem Plutarch,
und generell vor den Eierköpfen abgelebter Zeiten, die sich nicht
dazu hergaben, popularisierende Tatsachenberichte zu verfassen, sondern
nach demn Grundsatz handelten, der den Schluß-Satz zahlreicher
Keilschrifttafeln bildet: Der Wissende soll es dem Wissenden mitteilen.
Derlei ist uns heute so gründlich fremd geworden, dass selbst
relativ vorurteilslose Zeitgenossen es für unmöglich halten,
Plato habe dieses oder jenes nicht weiter ausgeführt, weil die
Pythagoräer eben dies oder jenes zur Geheimen Kommandosache erklärt
hatten - z.B. die Konstruktion des Dodekahedron, über das der
Timaios mit dürren Worten feststellt, der Demiurg habe diesen
Körper für "das Ganze" genommen, nachdem er vorher
Stunden lang über die anderen Polyeder sich verbreitet hatte.
Da der Plutarch der Gilde angehört, innerhalb deren "der
Wissende es dem Wissenden mitteilt", so spitzt man die Ohren,
wenn ein Pilot, ein kybernetes erwähnt wird, und der schreit
seine Botschaft vom Schiffsheck aus. Denn der gleiche Plutarch hat
uns in seinem Buch über Isis und Osiris wissen lassen, Osiris
sei der Strategos der Argo, Canopus der Kybernetes, der Pilot der
Argo, zur Isis hingegen gehöre der Sirius, zum Horus der Orion,
zum Seth/Typhon Ursa maior. Das ist den Ägyptologen peinlich,
weil sie nämlich den Osiris zum Orion ernannt haben (wenn denn
schon Sterne sein müssen, dann muss es wenigstens was so Wuchtiges
sein wie der Orion). Das Schiffsheck aber ist das der Argo - genauer
gesagt: die Argo ist nun einmal nur ein Heck, 1/2 oder nur 1/3 Schiff,
und am Steuerruder glänzt der Canopus, Sumerisch mulNUN.KI, babylonisch
Eridu, wo Ea/Enki haust, Vater des Dumuzi/Tammuz, und der Stern hat
außerdem noch den Namen musir a abba,"Jochgestirn des Meeres".
Zum Canopus müssen wir in jedem Falle bald zurückkehren,
erst aber wollen wir ein paar östliche Tammuz-Survivals zur Kenntnis
nehmen.
Der schon erwähnte Chwolson hat uns An-Nadim's Bericht über
das Tammuzfest der Ssabier oder Harranier übersetzt , das im
Juli, angeblich in der Mitte des Monats Juli, gefeiert wurde unter
dem Namen el-Buqat,d.h. die weinenden Frauen.
"Die Frauen beweinen denselben, dass sein Herr ihn so grausam
getötet, seine Knochen in einer Mühle zermahlen und dieselben
dann in den Wind gestreut hat. Die Frauen essen (während dieses
Festes) nichts in einer Mühle Gemahlenes, sondern genießen
bloß eingeweichten Waizen, Kichererbsen, Datteln, getrocknete
Weinbeeren (Rosinen, Zibeben) und andere dergleichen Dinge."
Hierzu gibt uns nun Chwolson selbst, und, um einige nicht unwichtige
Details vermehrt, Felix Liebrecht einen zusätzlichen Bericht
aus des Ibn Wa'shijja "Nabatäischer Landwirtschaft".
Der Verfasser, der erklärt, er habe einen alten Babylonier (von
etwa 1400 v.Chr.) ausgeschrieben, läuft unter dem Titel 'Fälscher'
- und den abgeschriebenen alten Babylonier wollen wir denn nicht so
wörtlich nehmen.Indessen steht es mit der Erfindungskraft der
vielen Fälscher nicht anders als mit der mythenbildenden Phantasie
alexandrinischer Professoren oder des Volksseelensprudels: es erfindet
sich nicht so leicht. In dieser gefälschten Nabatäischen
Landwirtschaft, von der uns Maimonides viele Teile erhalten hat, heißt
es: (Liebrecht)
" Die Zeitgenossen Jambûshâds
behaupten, dass alle Sakain (das ist eine Spezies von Engeln) der
Götter und die Götterbilder über Jambûshâd
trauerten, ebenso wie die Engel und alle Sakain über Tammuzi
getrauert hatten. Die Götterbilder, meinen sie, hätten sich
aus allen Gegenden der Erde in den Tempel el-Askûl in Babel
versammelt, und begaben sich darauf alle in den Sonnentempel, nämlich
zum großen goldenen Götterbilde, welches zwischen dem Himmel
und der Erde hing, Das Sonnenbild stand mitten im Tempel, umgeben
von allen Götterbildern der Erde - bei Chwolson lautet es, angemessener,
"der Welt" - und zwar standen ihm zunächst die Sonnenbilder
aller Länder, dann die Bilder des Mondes, darauf die des Mars,
dann die des Mercur, die des Jupiter, die der Venus, und zuletzt die
des Saturn ."
Hier sagt Chwolson von dem Sonnenbild, das zwischen Himmel und Erde
hing:
"Dieser Götze fiel nun in die Mitte des Tempels herab und,
während alle Götzen um ihn standen, fing er an, den Tammuz
zu beklagen und deesen Leidensgeschichte zu erzählen. Alle Götzen
weinten und wehklagten die ganze Nacht über; als aber der Morgenstern
aufging, flogen sie alle hinweg und kehrten in ihre Tempel nach allen
Enden der Welt zurück."
Und nun wieder Liebrecht:"Diese Erzählungen (nämlich
von Tammuz und Jambûshâd) sind in eine Sammlung aufgenommen
worden und werden in den Tempeln nach den Gebeten verlesen, wobei
sie (die Anwesenden) darüber viel weinen und wehklagen."
Der hier "ebenso wie" Tammuz
betrauerte Jambûshâd ist der Djamshid des Firdausi, Awestisch
Yima xsaeta, im Rgveda Yama, und das ist der Saturn, Herrscher des
Goldenen Zeitalters.Zu Ihrer Beruhigung sei betont: mitnichten ist
das meine Konjektur. Die seriösesten Meister der Zunft können
nicht umhin: Yama ist der Planet Saturn.
Noch 1064 und 1204 setzte es - außerhalb des Bannkreises der
alten Harraníer und ungeachtet des mittlerweile fest etablierten
Islams "sporadic revivals, on a great scale, of the ancient lament
for the dead god", wie Robertson Smith es formuliert . 1064 circulierte
eine mysteriöse Drohung von Armenien bis Chuzistan, dergemäß
jegliche Stadt vollständig vernichtet werden würde, die
sich von den Lamentationen über den toten "König der
Dschinns" auszuschließen wagen sollte. 1240 wütete
eine Epidemie in Iraq und Mosul, und da wurde die Parole ausgegeben,
eine Dschinnin, genannt Umm 'Uncud (Mutter der Traube -grape cluster),
habe ihren Sohn verloren, und jeglicher, der diesen nicht beklagen
wollte, werde der Epidemie zum Opfer fallen.Worauf denn allüberall
pflichteifrig der Klageruf erscholl "O Umm 'Uncud, excuse us,
'Uncud is dead, we knew it not."
Man bat schon im Alten Sumer durchdringendes Klagegeschrei um den
Dumuzi/T'ammuz angestimmt, in Phönizien, Kypern, Syrien um den
Adonis-Adon = "Herr" - und viele dicke Wälzer wurden
geschrieben über diesen "Korngott", die dahinschwindende
und wiederkehrende Vegetation. Kein Gott kam den Veranstaltern des
Fruchtbarkeitsrummels besser zupass als Tammuz, d.h. schien ihnen
zupass zu kommen.
Da Cumont mit schwerwiegendem Material dargetan hat, dass die Adonis-Klage
in Syrien in der Nacht vom 19. zum 20. Juli angestimmt wurde, können
wir der bestürzend platten vegetativen Interpreten vollends entraten.Den
so über alle Maßen gewichtigen 20.Juli markiert der heliakische
Aufgang des Sirius, der seine Bedeutung keineswegs der Nilschwelle
verdankt, die er angeblich ankündigt, vielmehr seiner einzig-artigen
Rolle als Rechtfertiger, oder als 'Fabrikant' des julianischen Jahres,
das ausschließlich mit hinblick auf Sirius Daseinsberechtigung
gehabt hat.
Wir wissen noch nicht, ob der Sirius als solcher für 'gestorben'
gegolten hat - sehr vieles spricht dagegen - für's erste kommt
es nur darauf an, den großen toten Göttern, Repräsentanten
von Weltaltern, ihre ganze unheimliche Rätselhaftigkeit und dunkle
Würde zurückzuerstatten, ehe man sie erneut, und mit dem
ihnen gebührenden Respekt, befragt. Dass man den Djamshid/Yima,
den Regenten des iranischen Goldenen Zeitalters, ebenso beweint hat
wie den T'ammuz, spricht zwar Bände, aber es wäre hübsch
zu wissen, ob erst der Tammuz, oder ob erst der Yima an der Reihe
war.
(In Klammern nur sei kurz vermerkt,
quasi zur Anregung der little grey cells, und als Fußnote zu
jenen normannischen 'Lubins', die da rufen: "Robert est mort"
- Robert dürfte wohl der uns auch aus den ' Deutschen Volksbüchern'
bekannte Robert der Teufel sein, der so viel gesündigt hatte,
dass er sich musste närrisch stellen und mit den Hunden unter
der Treppe liegen, bis seine Sühnefrist (wir können sie
ruhig als Werwolfs-Periode ansprechen) abgelaufen war. Warum liegen
eigentlich Hunde unter der Treppe? Und warum, andererseits, haben
alle Großen des Hauses Della Scala Hundenamen? Cangrande, Mastino
usf.? Welcher Canide liegt denn unter welcher Treppe? Es gibt nur
eine rund um den Globus anerkannte ?reppe,Leiter, Brücke: die
Milchstraße, und 'darunter' liegt, steht oder bewegt sich unvorstellbar
langsam der Canide aller Caniden: Sirius).
Wir treiben viel zu schnell in Detail-Probleme der haarigsten Sorte,
und mir müsste jetzt so eine passende Redensart einfallen wie
dem alten Galletti aus Gotha, dem unübertroffenen Meister der
Kathederblüte , der sagte:"Ich komme heute der jüngeren
Schüler wegen nochmals auf Richard Löwenherz zurück,
da nur die Älteren unter Ihnen die Kreuzz?ge mitgemacht haben."
Diejenigen unter Ihnen, die die Kreuzzüge mitgemacht haben, wissen,
was umgeworfene Tische auf dem Berge Lykaion meinen, und sind bereits
daran gewöhnt, dass wir kontinuierlich, durch Zeit und. Raum
hindurch, von Irland bis Mexiko mit ganzen Rudeln von Hunden, Wölfen,
Füchsen,Schakalen zu schaffen haben, die alles andere sind, nur
keine reellen, hiesigen, irdischen Hunde, Wölfe, Füchse
und Schakale, (Sie sollten sich aber einmal anschauen,
welche Schlachten die Philologen einander liefern wegen der -ich zitiere
- "gleichlautenden Wurzel lyk-, welche Licht bedeutet, und, wie
es scheint, mit lykos Wolf nichts zu tun hat." (RE 13,2251f.)
So tobt der Kampf um jene erste Stadt, erbaut von Lykaon, Lykosoura,
und'den Berg Lykaion, ob es sich um einen Lichtberg oder einen W?lfsberg
handle -Usener ernennt Lykosoura zur "Lichtwarte" (Götternamen
208ff.). Lykosoura heißt Wolfsschwanz, genau so wie Kynosoura,
Name von Ursa minor, Hundeschwanz heißt, auf Sanskrit Shunahshepa,und
wenn Sie - dem Volkswartbund conforme - nicht salonfähige Nebenbedeutungen
wittern, so sind Sie recht beraten: es ist an dem. Aber selbst, ach!
so physiologisch anmutende Gleichnisse und Bilder sind nun einmal
termini technici der Astronomie, und Usener Und Co, haben niemals
bedacht, dass der Pythagoras die Planeten die "Hunde der Persephone"
geheissen hat.
Kommen wir denn zwar nicht auf den, gleichwohl ehrenwerten, Richard
Löwenherz zurück, sondern auf das General-Schema der Lehre
von den Weltaltern, alswelches sich nur begreifen lässt, wenn
man sich bewusst hält, dass exakte Naturwissenschaft per se nur
mittels einer Fachsprache verlautbar ist. Sie haben ja noch frisch
im Gedächtnis aus den Vorlesungen von Professor Szabo, wie schwer
es hält, den geometrischen termini der Griechen wirklich auf
den Grund zu kommen - und wie nah sind uns doch die Griechen, wie
gut bekannt ihre Grammatik, wie groß die Auswahl an Lexica aller
Jahrhunderte! Zudem wissen wir doch im Vorhinein, dass wir beim Euklid
Geometrie zu gewärtigen haben, dass der Passus in Platon's Theaitetos
ein mathematischer ist. Raffen Sie Ihre Phantasie zusammen und malen
sich aus, was man aus dem Theaitetos herauslesen würde, wenn
man das nicht wüsste. Dynamis heisst schließlich "Vermögen,
Kraft, zunächst Körperkraft" (beim alten Pape).
Wenn die griechische geometrische Fachsprache schon schwer zu entschlüsseln
ist, auf was haben wir uns gefasst zu machen, wenn wir es a) mit Astronomie
zu tun bekommen, b) mit nicht-indogermanischen Sprachen, c) mit Texten,
bei denen wir nicht im Vorhinein wissen, dass sie von Mathematik,
Astronomie oder Harmonielehre handeln? (Zur Abschreckung hier nur
das weltberühmte Aeg,Wb, 6 Band Deutsch-Ägyptisch, wo Sie
unter 'Himmel' 37 ägyptische Wörter finden. Ich hoffe, es
wird Ihnen schwindlig bei dem Gedanken, was aus Texten werden muss,
zwangsläufig, wenn man 37 Spezialtermini mit einem einzigen,
total vaguen, nebulosen Wort wie 'Himmel' übersetzt, weil 'man'
"Religion" gewärtigt und das meint schlicht: credo
quia absurdum - aber solches trifft doch, wenn überhaupt, dann
nur auf Offenbarungsreligionen zu, aber niemals auf Ägypten oder
Babylonien, woselbst man, wie ich Ihnen zitierte, keine anderen 'Götter'
kannte als Konstellationen, Dekane,Planeten - als Aionen, Zeitperioden
usf.
Astronomie hat mit Kugeln zu schaffen, und Kugeln sind sprachlich
noch viel weniger zu 'bewältigen' als Linien und Flächen
- und, wenn Sie genauer hin-schauen, wesentlich schwerer "vorzustellen".
Und aus diesem Grunde wird
"projiziert", und das meint, der homo sapiens entledigt
sich wenigstens einer, überaus lästigen Dimension. Nun denken
aber Philologen nicht einmal im Traum an die Möglichkeit von
Projektionen, von denen sie ohnedies wenig verstehen,
während die Mathematiker und Astronomen, so sehr an unsere Weise
zu projizieren gewohnt sind, dass sie andere Methoden nicht als 'Methoden'
erkennen. In Sprache nicht, noch viel weniger als in Bildern, über
welche sie gegebenen-falls mit sich reden lassen.
In der alten Fachsprache wird noch
drastischer gekürzt als in bildlichen Darstellungen, und vom
Hörer (oder Leser) erwartet, dass er die fehlenden Dimensionen
und Connotationen ergänzt. Ganz genau, wie wir das heute auch
tun. Abgesehen von der Alltagssprache , wo wir automatisch das Fehlende
ergänzen, wenn wir "Rom" hören, oder "Pentagon",
oder "Quai d'Orsay",-wenn Sie "Radius"hören,
assoziieren Sie einen Kreis; wenn einer sagt, die Sonne stünde
jetzt ín den Fischen, so ergänzen Sie :am 21.März."In
den Fischen stehen" ist ein bequemes Kürzel für: bei
Frühlingsbeginn gehen die Fische heliakisch auf. Es sieht doch
jeder Narr, dass die Sonne nicht "steht". Fachsprache ist
eine Konvention. Und dieser Konvention gemäß haben wir,
wenn wir "Welt-Achse" oder "Weltsäule" hören,
zu ergänzen grösster Kreis auf der Kugeloberfläche
- aber damit ist es noch nicht einmal getan: Achse meint den ganzen'Rahmen',
also nicht nur einen Großkreis, sondern den Aequinoktialkolur
und den Solstitialkolur.Das ist am allerdeutlicheten ausgesprochen
ín einem Hymnus des Atharva Veda (10.7) "An den Skambha",
die Weltsäule, wo der Übersetzer Whitney sich verwundert,
dass Skambha "is strangely used as frame of the Universe",
wenn doch skambha schlicht pillar, post meine. Dieser Skambha liefert
im Übrigen die Etymologie für den Finnischen Sampo, die
Mühle mit dem bunten Deckel.
Die Weltachse mit den in Gedanken zu ergänzenden Koluren liefert
die Längen-grade, den vertikalen Rahmen von Nordpol zu Südpol.
Von den horizontalen
und schiefen Zonen hatten wir schon kurz gesprochen, d.h. von der
Dreiteilung, den sogenannten Wegen des Enlil, Anu, Ea, v?n Himmel,
Erde und Unterwelt, bezw. Wasser unter der Erde. Die Trennungslinie,
bezw.Kreisfläche zwischen festem Land und ?eer bildet der Himmelsäquator:
südlich des Aequators breitet sich das Meer aus, mit dem Tiefpunkt
Südpol. Der Zodiakos, genannt die "bewohnte Welt" oder
Oikoumene, besteht dementsprechend aus einer Festlands-und einer Meereshälfte:
Vom Frühlingspunkt bis zum Herbstpunkt bewegen sich Sonne und
Planeten auf dem Trockenen, die südliche Ekliptik befahren sie
zu Schiff. Auf die feineren Zonen-Einteilungen wollen wir uns jetzt
nicht ein-lassen, aber es muss betont werden, dass es mit Himmel,
Erde, Wasser nicht getan ist - im Süden gibt es Salzmeer und
Süßwasserozean, im Norden ist eine Luftzone zwischen Erde
und Himmel einzuschalten, und das ist noch nicht alles. Diese feineren
Subdivisionen bereiten aus dem Grunde so vielfältige Schwierigkeiten,
weil es neben der Einteilung in Breitenzonen von Norden nach Süden
schließlich auch die Planetensphären gibt, also eine Richtung
von innen nach außen, und da haben wir selbstredend wiederum
mit Wasser,Erde, Luft,Feuer zu tun. Es ist tatsächlich äusserst
schwierig, mit diesem kugeligen Kosmos zu Rande zu kommen; aber das
liegt an eben dieser Welt, und nicht an boshaften Astronomen, und
schon definitiv nicht an mir. Den Umfang der Schwierigkeiten ersehen
Sie am besten aus den letzten Kapiteln von Platon's Phaidon, wo der
Sokrates nicht, wie die Fachmänner annehmen, vom Inneren unseres
Globus spricht, sondern vom 'Inneren' des Kosmos, den er sich von
außen betrachtet, sich selbst auf die äußerste Fixstern-Sphäre
versetzend.
Die von den Planeten bewohnte Welt -nicht etwa von unsereinem - zwischen
den Wendekreisen ist ummauert, sozusagen, vom Tierkreis, Babylonisch
"die Himmelsaufschüttung". Vordringlicher noch als
diese Oikoumene, d.h. häufiger vorkommend, ist für die gesamte
alte Kosmologie der terminus "Erde". Die
Erde ist -abgesehen von wenigen Fällen, wo die Oikoumene als
Erde angesprochen wird, oder der Zodiakos als 'himmlische Erde' -
die gedachte Ebene durch die Jahrespunkte. Diese Ebene ist ganz einfach
die Ekliptik, versteht sich, und es dürfte schwer halten, einem
modernen Astronomen klar zu machen, dass mit solcher Formulierung
"ganz einfach die Ekliptik", alles unter den Tisch fällt,
was in der alten Kosmologie wirklich zählt. Sie verstehen sofort
besser, was zu assoziieren ist, wenn Sie daran denken, dass Chinesen,
Inder u.a. der angeblich primitiven Auffassung sind, der Himmel sei
rund, die Erde aber viereckig. Das ist, wieder einmal, keine "Auffassung",
sondern ein terminus technicus. Eine Erde wird definiert, bestimmt
durch die 4 Konstellationen, die ap ihren vier "Ecken" stehen,
den Äquinoktial- und Solstizpunkten. Und eben deswegen, nur deswegen,
kann eine Erde untergehen, eine neue auftauchen, und ein Weltalter
das andere ablösen.Eine neue Erde, ein neues Weltalter bricht
an, wenn eine neue Garnitur von Tierkreisbildern nebst deren Paranatellonta
an die Jahrespunkte zu stehen kommt.
Solch neue Erde, die an 4 neuen Tierkreisbildern vertäut wird
nach einer Flut oder anderen imaginären Katastrophen ist durch
diese horizontale, bezw. schräge Befestigung zwar definiert,
aber das genügt nicht.Das schwankende Ding muss am Südpol
verankert werden, und das heißt man "die Tiefe des Meeres
messen", und hernach muss man den "Himmel aufhängen",
oder auch "hochheben" (mit dem aufhängen halten es
die Ägypter, mit dem hochheben z.B. Finnen und Azteken) alles
muss auf den neuen Polarstern bezogen werden, den Nordnagel oder Weltnagel.
Das besorgt man tunlichst mittels "the line of the Seven "Rshis"
- dem Bleilot der 7 Weisen. Diese 7 Weisen, Sanskrit Saptarchi, sind
die sieben Wagensterne, gleichzeitig aber die wichtigsten Repräsentanten
der 7 Planeten: jedem Planeten gehört ein Stern des großen
Wagens. Auf Kypern heißen die Wagensterne noch heute "7
Planeten" (hepta planetoi).
Und dieses Bleil?t der Sieben Weisen, ist der Solstizkolur, und der
verlief diverse Jahrtausende hindurch durch einen der Wagensterne,
angefangen mit eta Ursae maioris.
Wenn Sie alles ergänzen, was so ein alter Kosmologe v?n Ihnen
erwartet, so finden Sie plötzlich nicht mehr kindisch, wenn im
Mbh. der Prajâpati in Fischgestalt den Manu durch die Weltflut
zieht, und hernach das Schiff auf dem höchsten Gipfel des Himalaya
von den 7 Weisen verankert wird. Oder wenn im GE der Gilgamesh, nachdem
er in Eridu, Canopus, die Unsterblichkeit verwirkt hat, wenigstens
den Steuermann, also wieder einen kybernetes, des Utnapishtim mitgehen
heißt, und dieser Steuermann, Urshanabi, wird sofort nach der
Rückkehr nach Uruk aufgefordert, nachzuprüfen, ob Uruk richtig
ver-messen sei, und ob nicht die 7 Weisen den Grund gelegt hätten.
Odysseus tut es billiger: er braucht nur ein Ruder, nicht gleich einen
kompletten Steuer-mann, mit dem er dann landeinwärts zieht. Wir
wollen aber nicht vergessen, dass der einzige Grund, warum der Held
nach dem Hades fährt,darin besteht, dass er von Teiresias ín
Erfahrung bringen muss, auf welche Weise er mit Poseidon Frieden schließen
kann - das Gradnetz berichtigen.Und der Teiresias eben befiehlt ihm,
nach der Rückkehr ein Ruder über die Schulter zu nehmen
und damit so lange landeinwärts zu wandern, bis er einen trifft,
der so unbekannt mit Schiffahrt ist, dass er das Ruder für eine
Worfelschaufel hält. Solches geschah dann in Thesprotia; dass
der Homer uns die Ausführung des Befehls nicht berichtet, besagt
nicht, dass Homer von der Hochzeit mit der Königin v?n Thesprotia
und anderen Abenteuern nichts wusste.Wie schon erwähnt, hält
Homer sich peinlich genau an das Schema. Mit Rückkehr des ?elden
nach Ithaka, Tod des Hundes Spannen des Bogens, ist das zu beschreibende
Zeitalter zu Ende.
Damit Sie mir nun nicht meinen, hier würden unerhörte Behauptungen
aufgestellt über das doch so wohlbekannte Altertums: der Strabo
hat uns die Ansichten des Krates von Pergamon aufbewahrt, und Letzterer
sagt bezüglich des Odysseus Fahrt von Kirkes Insel zum Hades,
er müsse einen Teil des Ozeans benutzt haben, der vom südlichen
Wendekreis zum Südpol gehe. Und anderer-seits sagt Vergil (Georgica
1.242) unmissverständlich, der eine Pol stehe immer hoch über
uns, den anderen sehen nur Styx und und die Ahnen (sub pedibus Styx
atra videt Manesque profundi). Je früher Sie sich an den Gedanken
gewöhnen, dass es ein Totenreich im Innern unseres Planeten Erde
nicht gibt, nie gegeben hat, und dass wir nur mit beschwerlichen Kugeln
zu tun haben, und niemals mit dem sogenannten Himmelsgewölbe
in Form einer Käseglocke, und einer tellergleichen Erde, desto
besser.