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Es lag nicht in meiner Absicht, Sie mit dem unauschöpflichen
Gräuel-Komplex rund um den Knotendrachen Stunden lang zu maltraitieren,
zumal ich von einer sog.'Lösung' des Problemknäuels weit
entfernt bin. Da wir es aber mit einem Herzstück der alten Kosmologie
zu tun haben, das von den Experten mit wahrhaft erbitternder négligence
behandelt wird, scheint es mir wichtig, die wesentlichen Momente zu
rekapitulieren und einige weitere hinzuzufügen.
Entscheidend ist zunächst das Prinzip der alternierenden Bewegung,
aus dem die zählebige Vorstellung von der Nutation erwachsen
ist. Der zu Grunde liegende Apparat ist die Buttermaschine, bezw.
der nicht davon zu trennende Feuerdrill. Dieses Instrument wird im
Sinne der Sanskrit-Wurzel manth-(unter Überwindung eines Widerstandes
kräftig hin- und herbewegen) von zwei Göttern, oder Götterparteien,
bedient, von den Asura und Deva, die das Milchmeer, die Galaxis, buttern,
von Horus und Seth, bezw, den Nilgöttern, die den Feuerdrill
bedienen, alswelcher unter dem Firmentitel "Zeichen der Vereinigung
der beiden Länder" läuft.
Von der Wurzel math-, manth ist der Berg Mandara abgeleitet und, höchst
auf-schlussreicher Weise, im nördlichen Europa, speziell Island,
das Wort möndull, mundil , und dort ist es zum Handgriff der
kosmischen Mühle geworden möndultrè der Mühlbaum,
d.h. die Achse (Mundilfori, der Achsenschwinger ist der Vater von
Sonne und Mond in der Edda);die alternierende Bewegung ist aufgegeben,
das Wort bleibt.Und entsprechend ist das englische churn im Norden
zu kirna, kaerna, quairnus, die Handmühle geworden; das Meer
nennt der Skalde Snäbjörn "Amlodhi's Kvern", Hamlets
Mühle. Dass die alte Bedeutung nicht völlig ausgestorben
ist, entnimmt man Ernst Krause's Tuiskoland (p.321), der verweist
auf "lit. manture, Quirl, altslav. meta Drehholz, lat. mentha,
das Quirlkraut, finn, mäntä, estn. mand, lit.menturis, lett.meturis,
der Butterstössel". (Weiteres:Summary p,l7).
Abgesehen von dem Wort selbst: aus der Edda direkt ließe sich
schwerlich nachweisen, dass die alternierende Bewegung im Norden einmal
bekannt gewesen sein muss; wenn wir aber hören, dass Walhalla
540 Tore hat, und dass die Götter auf dem Idavöllr, dem
Wirbelfeld, Brettspielen obliegen, während "zu jedem der
5 Tore Angkors über den etwa 100 m breiten Wassergraben eine
Dammstraße führt", dass diesen Dämmen Reihen
von je 54 riesenhaften Steinstatuen als Geländer dienen, teils
Asura, teils Deva und dass jede dieser Reihen eine ungeheure neunköpfige
Nagaschlange trägt, mithin die Stadt, vom Milchmeer und 540 Butterern
umgeben, den Mandara darstellt, so gewinnt das Wirbelfeld eine andere
Nuance.(Auf die Brettspiele lassen wir uns im Moment nicht ein -nach
der Götterdämmerung jedenfalls finden die neuen Götter
als erstes im Grase der neuen Erde die Spielsteine der abgedankten
Göttergeneration wieder).
Das Prinzip der alternierenden Bewegung wird von Platon im Politikos
behandelt - im Theaitetos wird sogar des Feuerreibens gedacht, das
Bewegung bedeutet, und darauf verwiesen wird, dass, falls die Bewegung
plötzlich aufhören sollte, das Unterste zu obert würde
gekehrt werden. Zwei aktive Tau-Zieher lehnt Platon rundweg ab.
Diese Tendenz, nämlich keine zwei, beinahe gleich mächtige
Agentes zuzulassen, ist nicht auf Platon beschränkt, der den
Weltherrscher das Universum rechtläufig lenken und dann den Griff
loslassen macht; in Indien sehen wir neben den butternden Asura und
Deva den Vishnu Chakravartín alleine verantwortlich: wacht
er, dreht sich das All rechtläufig, schläft er, so dröselt
es sich linksläufig auf.
Hinsichtlich der Ägypter erfuhren
wir von Plutarch (376B), des Horus Knochen seien Magneteisenstein,
die des Seth aber Eisen. "Und wie Eisen sich so verhält,
dass es das einemal von dem Magneten angezogen wird und ihm folgt,
das andere ?al aber sich abwendet und nach der entgegengesetzten Richtung
abweicht, so sorgt die förderliche, gute und vernünftige
Bewegung des Universums dafür, dass die Typhonische Bewegung
abgemildert und ihre Wirkung reduziert wird; wenn dieser sanft über-redende
Einfluss aber nachlässt, so kehrt die Typhonische Bewegung wieder
in sich zurück, und taucht unter in den mangelhaften Zustand
(s.o.S. 43).
Von Zeus hören wir im 8.Gesang der Ilias nichts prima vista Verdächtiges
über alternierende Bewegung, es kommt mir aber vor, als reime
sich der PolitikosMythos (der ja, wohlgemerkt, vom Zustandekommen
von Weltaltern spricht zu gut auf diese Homerstelle, um an einen Zufall
zu denken.
Geschwind ein törichtes Survival aus Westfalen (Grimm:DM ? ):
Ein Bauer kommt nachts, leicht bezecht, durch den Wald, als plötzlich
aus der Luft Hackelberend geritten kommt, der Wilde Jäger, Odin.
Er wirft dem Bauern das Ende einer eisernen Kette zu und fordert ihn
auf zu versuchen, Ross und Reiter am Boden festzuhalten.Kaum hat Hackelberend
sich herumgedreht, schlingt der Bauer die Kette um eine riesige Eiche;
der Wilde Jäger will sich auf-schwingen, aber dank des Baumes
vermag der Bauer die Kette festzuhalten.Drei Mal wiederholt sich die
Szene, wobei die Eiche ächzt und beinahe entwurzelt wird.Drei
Mal leugnet der Bauer den Achsentrick und behauptet, mit freier Hand
den Reiter gehalten zu haben.Hackelberend meint, er habe seines gleichen
an Stärke gefunden und belohnt den Bauern. D.h. es fällt
plötzlich ein weißer Hirsch vom Himmel, Hackel-berend zerlegt
ihn und gibt dem Bauern ein Hinterbein, das sich später als golden
herausstellt. Ergänzend kommt eine weitere westfälische
Sage hinzu, dergemäß Hackelberg, eben der Wild Jäger,
auf Bitten der Riesen eine Mühle ín die Luft hob, d.h.
geradenwegs in die Milchstraße versetzte, die von Stund an Mühlweg
oder Mehlweg geheißen wurde.
Wir können uns mit dem Hinterbein
jetzt nicht des Langen und Breiten anlegen - es handelt sich allenthalben
um Seth/Typhons Stierschenkel, die Wagensterne. (Der Hirsch ist nicht
weiter befremdlich - wir hatten ja auch bereits in Zentralasien die
Ursa als Hirschfuß ermittelt: der arme Hirsch war von dem Ski-laufenden
Bären erlegt und zerstückelt worden, und die Milchstraße
zeigt, und heißt entsprechend,die "Schneeschuh-Spur"
des Bären, oder die des Gottessohnes).
Es ist nur recht, dass der Bauer das
berühmte Hinterbein bekommt, nachdem er im Tauziehen um eine
Achse gewonnen hatte.Es ist allemal der Sieger, von dem es heißt:
katechonta en té dexia cheiri moschou omon chryseion, mag es
sich um einen Bauern handeln, um Mithras oder - shocking as it is
- um Christus, von dem es in der Offnbarung Johannis heisst:
1 .16: "Und er hatte sieben Sterne in seiner rechten Hand",
und
2.1: "Und dem Engel der Gemeinde zu Sardes schreibe: 'Das sagt,
der die sieben Geister Gottes hat und die sieben Sterne'."
Oder aber, sachlich und geographisch
näher zu dem Wilden Jäger und dem Bauern:
"In Uppsala soll Thor's Standbild 7 Sterne und den Karlswagen
in der Hand gehalten haben (siu stjernor i handen och Karlavagn) -
das Durcheinanderwerfen von Wagensternen und Pleiaden ist beinahe
obligatorisch und soll uns nicht verblüffen. Bei Messenius heißt
es gar noch:
"Jovis statua... currui (ursae) insidens manu pleiadas tenebat.
Thors Bild... in einem Wagen (der Bärin sitzend, hielt in der
Hand die Pleiaden" (Reuter: Germanische Himmelskunde p.251f.).
Die Indologen wollen das Amramanthana ganz jung haben, W?ssenschaftshistoriker
lassen die Nutation sozusagen von vorgestern stammen - weil man vorher
keine Belege soll finden können. Was den nicht Wunder nimmt,
der mit der stupenden euhemeristischen Begriffsstutzigkeit der Ägyptologen
vertraut ist und ihrer - eines Landwirtschaftsministers würdigen
- Hochschätzung des Nils als bewässerungstechnischer Devise.
Der Nil ist zuvörderst ganz unmißverständlich die
Milchstraße (wovon bald mehr), und die 'Nilgötter', die
da 'vereinigen' s?nd in jeder Beziehung die nämlichen wie die
Asura und Deva. (Seth und die Asura haben nicht v?n ungefähr
an Caniden gemahnende Köpfe: durch den gesamten Hochkulturgürtel
ist der Ältere von 2 Brüdern, meistens von Zwillingen, ein
Hund, mindestens aber äußerst stark behaart, und immer
wird er um sein Erstgeburtsrecht geprellt und, wie wir's heute im
gepflegten Alltagsdeutsch sagen würden, "zur Sau gemacht".
Wenn wir bis jetzt aus Mesopotamien noch keinen klaren Beleg für
die Quirlerei haben, was durchaus an den Übersetzungen liegen
kann, so gereicht uns der Name des ältesten unserer Helden zum
Trost.
"gis-gibil-ga", sagt Rommel (Grundriss 782-85)," 'Vater'..,
wörtlich 'das Feuer machende H?lz'; ja der ganze Name des alten
Heros Gilgames, Gis-Gibil-games, heißt nicht etwa 'der Vater
ist ein Held', sondern 'das feuermachende mes-Holz'."
(Gewiss: Albright versteht den Namen richtig.Aber seine Wiedergabe
"torch fecundating hero" ist geeignet, den klaren Befund
zu verschleiern.Das tun alle Assyriologen und Ägyptologen: sie
übersetzen nicht, sie "empfinden nach" und siehlen
sich in pompösem dichterischen Wendungen, bezw. in solchen, die
sie für dichterisch halten).
Sein Genosse, ein waschechter 'Zwilling' ist behaart, wie er soll,
und er muss auch sterben, obwohl die 'Zwillinge' die Tötung des
Himmelsstieres gemeinsam begangen haben. Sie können mir einwenden,
Enkidu sei später als Gilgamesh in die Welt gekommen: die Göttin
Aruru erschuf ihn aus Tonerde. Indessen heißt es, dass sie ihn
zum Bilde Anu's schuf (Literally:"a zikru of Anu she conceived
in her heart" (Oppenheim, Or.17,1948,p.24). Und ?n?, Vater des
Ea, ist ein seit langem im Ruhestand befindlicher Gott. dir müssen
aber weiter).
Wir haben aber noch einen ernst zu
nehmenden Zeugen, mit dem sich die Philologen allerdings nicht abzuplagen
pflegen, den Al Biruni, der aber wenigstens nirgends im Verdacht steht,
ein blaue Blumen sammelnder Romantiker zu sein. In Al Biruni's Qanun
al Masudi hat Dr. Schramm vor ein paar Jahren einen einschlägigen
Passus entdeckt und mir sogleich übersetzt.ln diesem Passus befasst
sich Al Biruni mit den Gegnern der Präzession, die zu seiner
Zeit noch (im lO.Jh.) aufrecht erhalten wollten, die Fixsternsphäre
rühre sich nicht vom Fleck, die Alten hätten auch so gesagt.
Im Laufe seiner Beweisführung, dass die Alten nichts derlei behauptet
haben, sagt er, die Lehren der Chaldäer, von welchen ausgehend
die Griechen in ihren Ermittlungen weitergeschritten seien, die seien
leider verloren gegangen; die zuverlässigsten Gewährsleute
erwähnten von ihnen (den Lehren der Chaldäer) nichts anderes
als das ikbal und das idban der Fallak, d.i. das Sich-hinwenden und
das Sich-wegwenden der Sphaere, accessi? und recessio. Wenig später
bemerkt Al Biruni, eben diese Ansichten gehörten zu den beinahe
ältesten Dogmen.
Soviel vorläufig zur alternierenden Bewegung generell. Viel geheimnisvoller
wird der ganze Komplex, wenn wir uns die "Knoten"-Texte
betrachten.
Das Amrtamanthana, alias das Ambrosia-Tauziehen, so wie es in den
indischen Riesen-Epen Mahabharata und Ramayana geschildert ist, lässt
nicht erkennen, in welcher Beziehung die Drillschnur (in Angkor die
neunköpfige Nagaschlange), d.h. der Schlangenfürst Vasuki
zu dem Asura Rahu steht der, nach Genuß des endlich ausgebutterten
Unsterblichkeitstranks unsterblich geworden und von Vishnu entzweigeschnitten,
zu den auf-und absteigenden Mondknoten, Rahu und Ketu wird. Und die
Eminenz Vasuki kann uns keinesfalls gleichgültig sein: schließlich
handelt es sich um die seira chryseie, das goldene Seil, das Zeus
um die Nase des Olymp schlingen will. Sokrates erklärt im Theaitetos
die seira für die Sonne; an dem Seil in der Amrtamanthana-Darstellung
im Maya Codex TroCortesianus (p 19) ist das Sonnenzeichen befestigt.
Gebuttert wird jedenfalls die Milchstraße, die sich mit der
Ekliptik an krisenfesten, d.h. von der Präzession nicht betroffenen,
topoi schneidet, nämlich zwischen lambda µ Sagittarii und
µ- und ?-Geminorum, den sog. 'Hauptpunkten' der Maya Astronomie.Die
Chinesen nennen Sagittarius-Sterne "le noeud du ciel", alswelchen
Knoten sie für den Ausgangspunkt aller Planetenbewegungen halten.
Die Azteken nennen die Gemini 'mamalhuaztli', die Feuerhölzer,
und sagen, von denen sei zu ihnen das Feuer gekommen.
Der Knotendrache des iranischen Bundahishn, der islamischen Astronomie
und Astrologie, des byzantinischen Astrologen, stand, laut Welthoroskop
im Bundahishn, "in the middle of the sky, its head in Gemini,
its tail in Sagittarius". Das sind die Hypsomata oder Exaltationen
von Kopf und Schwanz des Finsternisdrachen.
In ihren Hypsomata standen die Planeten beim Byzantinischen Astrologen,
bevor der "sehr große Drache (kata mekos, platos, bathos)"
mit Kopf in Gemini und Schwanz in Sagittarius sich auf ein Nicken
des pansophos demiourgos in Bewegung
setzte, worauf die Planeten aus ihren Bahnen herausfielen, just aus
den Graden ihrer Exaltation, stillstanden, rückläufig wurden,
Winkel zur Ekliptik 'eröffneten' , kurzum alle typisch planetarischen
Untugenden sich angewöhnten. Diesem Ereignis war voraufgegangen
das Fortrennen der Planeten aus einem ihrer Häuser in ihr zweites.D.h.
bei der Schöpfung standen die Planeten in einem Haus; als der
Demiurg die in Leo stehende Sonne in Bewegung setzte, stürzten
sie in ihr zweites Haus, vollzogen dann viele Umläufe friedlich
miteinander, bis sie in ihren Exaltationen standen, und dann erst
nickte der Demiurg und der Drache begann Unordnung zu stiften. Sie
verstehen, warum das wichtig ist: wir haben bei den 'Häusern'
und 'Exaltationen' nicht mit den Systemen verschiedener Astrologen-Schulen
zu tun, sondern, wie immer, mit Zuständen von Weltperioden, mit
einem Nacheinander in der Zeit und niemals nicht mit einem konkurrierenden
Nebeneinander. Es ist das Gleiche wie bei den sog.Versionen von Schöpfungs-mythen,
über die wir gesprochen haben.
Von Plutarch erfuhren wir (368 F), manche nennten Typhon den Erdschatten.
in den der Mond bei Eklipsen gerät.Er hatte also was von den
Mondknoten gehört (s. Anhang).
(Es wäre hübsch, a) mein Gedächtnis ließe mich
nicht rücksichtslos im Stich, b) meine Bücher und Sonderdrucke
wären nicht immer grade dort, wo ich nicht bin. Da dem aber so
ist, kann ich Ihnen nicht genau sagen, wie es kam, dass der Astronom
Professor Hawkins, der die Orientierungsdaten von Stonehenge durch
seinen Computer gejagt hat, bei Behandlung der berühmten 56 Pfosten,
die er für Finsternis-Anzeiger hält, auf die Zahl 56, 56
Jahre, zu sprechen kam. Jedenfalls tat er's, und ich besann mich schleunigst
darauf, was Plutarch, ebenfalls in De Is. (c.31, 363A) von den Pythagoräern
vermeldet hat:
It is plain that the adherents of Pythagoras hold Typhon to be a demoniac
power; for they say that he was born in an even factor of fifty-six.
(legousi gar en artio metro hekto kai pentekosto gegonénai
Typhona). And the dominion of the triangle belongs to Hades, Dyonysos,
and Ares, that of the quadrilateral (tetragônou) to Rhea, Aphrodite,
Demeter, Hestia and Hera, that of the dodecagon to Zeus, and that
of a polygon of fifty-six sides to Typhon, as Eudoxos recorded (ten
de hekkapentekontagoniou Typhônos, hos Eudoxos histórêken).
Den Verdacht, dass diese ja doch reichlich
verblüffende Angabe über Typhons Charakter mit 3 Knotenumläufen
zu tun hat (3 x 18 1/2) hatte ich längst gehegt. Besonders gut
ging es aber nicht auf, jedenfalls nicht bei meinen rechnerischen
Bemühungen , aber Hawkins hatte was recht Präzises herausgefunden).
Vor dem (griechischen) Typhon fliehen
die "Götter" in die Mündungen des Nil und verbergen
sich in Tiergestalt - huc quoque terrigenam venisse Typhoea narrat
et se mentitis superos celasse figuris, sagt Ovid (Met.5.325ff), wiedergegeben
vom alten Voss per "Und erlogne Gestalt umhüllete jeden
der Götter"; bei Apollodor (1.6.3) heißt es: theoi
d'hos eidon auton ep'ouranon hormomenon, eis Aigypton phygades epheronto,
kai diokomenoi tas idéas metébalon eis zoa.
Zuvörderst: diese sieben Mündungen sind kein Monopol des
Nil. So hören wir von dem indischen heiligen Fluß Godávari,
er komme
"by an underground passage from the same source as the Ganges,
and to reach the sea by seven branches made by the seven Rishis (sages),
Kasyapa, Atri, Gautama, Bharadvaya, Vasishtha, Visvamitra and Jamadagni.
The pilgrimage called sapta sâgara yatra, or pilgrimage of the
seven confluences, is made especially by those desirous of offspring
."
Besagte 7 Rishis sind die Wagensterne (a- bis ?-Ursae, wobei jeder
einen Planeten vertrittt) und die Dichter des Rgveda, alswelches indessen
den Indologen bis dato nicht aufgefallen ist. Aus China hören
wir nur kurz und bündig:
"The 'Nine Rivers' constituting the delta of the Yellow River,
belong to mythical geography ."
Die 'neun' deuten darauf hin, dass die beiden Knoten mitgezählt
sind; und dementsprechend haben die Chinesen auch 9 Wagensterne, nicht
7 wie anderwärts.
Die geflohenen Götter verwandeln sich beim Ovid folgendermaßen:
Jupiter in einen Widder, Apollon in einen Raben, (bei Nonnos 2.220
in einen Schwan ), Dionysos in einen Bock (proles Semeleia capre -
im Gedicht Ätna tut solches der Pan), Artemis in eine Katze,
Hera in eine Kuh, Hermes in einen Ibis.
Das ist höchst rätselhaft und wenig erfreulich. Jupiter
wäre hier die Sonne, das geht in Ordnung,sie heißt des
öfteren nach dem regierenden Planeten.Jupiter höchstselbst
weilt ja im Taurus (vgl.auch Nonnos 1.408).Seine Richtigkeit hat es
auch mit Venus und den Pisces , und mit der Dame Hera in der Kuh (Mond
in Taurus). Dionysos im Capricornus (cf.Anton.Liberal.28, Gruppe 8223)
- so wäre er der Mars, in welchem Verdacht ich ihn schon häufig
hatte. Der Rest ist Dusternis, und mit mehr oder weniger plausiblen
Vermutungen wollen wir garnicht erst anfangen, Katze,Bock, Stier und
Ibis sind Tiere der Dodekaoros, und es spricht wieder einmal für
den höchst verehrten Franz Boll, dass er auf das Typhon-Abenteuer
zu sprechen kommt bei Behandlung der Frage, ob die Dodekaoros könnten
aus Ägypten gekommen sein :
"Auch der schon dem Pindar bekannte griechisch-ägyptische
Mythos von der Verwandlung der Götter in Tiere aus Furcht vor
Typhon hilft uns nicht weiter.Nach dieser Sage, die offenbar zur Erklärung
des ägyptischen Tierdienstes erfunden, und darum den alten Ägyptern
fremd ist, soll sich Artemis/Bast in eine Katze, Hermes/Thot in einen
Ibis, Hephaistos/Ptah in einen Stier, Apollon in einen Sperber oder
Raben, Pan oder Dionysos in einen Bock, Aphrodite in einen Fisch,
Leto/Uazit in eine Spitzmaus und Ares in einen lepidôtos ixtys
verwandelt haben .Herakles wurde zu einem hellos /Hirschkalb/ oder
nach Hollands nicht unwahrscheinlicher Textverbesserung zu einem krokodeilos.Die
Verwandlung der Hera in eine Kuh und des Zeus selbst in einen Widder
sind vielleicht spätere Ausgestaltungen."
(Auch das Krokodil ist ein Dodekaoros-Tier). Der höchstverehrte
Boll hat sich zwar auch schon einsichtiger vernehmen lassen als gerade
hier, und die aitiologische Ausdeutung, die vom Lukian (de sacrificiis
14) stammt, der seinerseits vorübergehend total vernebelt gewesen
muss, obgleich Frazer die Deutung "shrewdly perceived" heißt
(ad Apollod. 1.3.6), der Hochverehrte hat sich jedenfalls auf, wenn
schon missglückte, so doch astronomische Weise, den Kopf zerbrochen.
Hingegen lässt sich ein forscher Fortgeschrittener, Rose, in
seinem 'Handbook of Greek Mythology' (1959,p.59) solchermaßen
vernehmen:
"Clearly, this is nothing but the most foolish of all the attempts
to explain why Ammon, identified with Zeus, has a ram's horns, the
raven is sacred to Apollo, the goat to Dionysos (who sometimes has
the form of a goat) Hathor identified with Hera, has the shape of
a cow, and Hera herself is traditionally called boopis (cow-eyed)."
Etc. pp..
(Gut und schön - bloß: w a r u m ist Hera denn traditionally
called boopis? Zudem stimmt's nicht immer; z.B. wie der Hephaistos
von seinem Sturz berichtet bezeichnet er seine zärtliche Mama
als 'kynepis', hundeäugig - Planeten schauen ja schließlich
nicht immer durch die gleichen Augen).
Von solcher heute üblichen Stupidität abgesehen: die "Verstecke"
der Planeten werden bereits in einem Keilschrift-Text aus der Bibliothek
Assurbanipals genannt : dort versteckt sich der Mond in SU.GI (= Perseus-
und Taurus-Sterne) die Sonne in Aries, Mars im Capricornus, Saturn
in Libra, Jupiter in Cancer, die Venus aber in Leo.
Der gesamte Fall ist völlig ungeklärt, da er noch niemals
ernsthaft attackiert worden ist, und vorläufig sehe ich mich
außerstande, Gundel beizupflichten, wenn er in seinem (gleichwohl
überaus lehrreichen) Riesen-Artikel "Planeten" in der
RE (Sp.2017-2186), Sp.2124f. sagt:
"Die Erhöhungen (hypsoma, exaltatio, altitudo) und die Erniedrigungen
(tapeinoma, koiloma, deiectio, depressio) waren nach antiker (und
moderner) astrologischer Anschauung bestimmte Grade im Tierkreis,
an denen die einzelnen Planeten ihren größten und stärksten,
bezw. geringsten Einfluß ausüben."
Er führt zwei nichtssagende Stellen an und erklärt, eben
diese zeigten, "dass diese Lehre nichts mit den astronomischen
Fachausdrücken für die Bewegung der Planeten in die Breite...
oder in die Tiefe, also zum Perigeum bezw. Apogeum zu tun hat.Man
kann auch keine inneren Beziehungen zwischen dieser astrologischen
Doktrin und den astronomischen Erkenntnissen aufdecken."
Die "inneren Beziehungen"
eben sind es, welche die traurigen Trümmer des Typhon-Mythos
uns bieten. Beim byzantinischen Astrologen standen die Planeten in
ihren Exaltationen, als das Drachen-Ungetüm angriff und die Planeten
aus ihren Bahnen stürzten; in den Berichten über die in
die Nilmündungen flüchtender Götter verbergen sich
einige in ihren Exaltations-Zodia.
Wir wollen aber nicht vergessen, dass der Byzantiner betont hatte,
dass "am Anfang" der Demiurg einen sehr großen Drachen
kata mékos, platos und bathos machte. Ehe nicht jedes Detail
genau untersucht worden ist, lassen sich summarische Urteile nicht
fällen - m.a.W. die mythische Formel-Garnitur für das Apogäum
und Perigäum der einzelnen Planeten ist vorderhand restlos unbekannt,
und wer weiss, ob sich vor dem fatalen Typhon nicht einige Götter
anstatt in ihre Hypsomata in ihr Apogäum flüchten (vgl.
Tabelle der Apsidenlinien bei Gundel,RE s.Planeten, Sp.2070). Zumal
reichlich spät 1076, aber immerhin, soll Zarkali der Apsidenlinie
eine alternierende Bewegung á la Butterfass zugeschrieben haben
soll ! Wir hatten ja schon das letzte Mal festgestellt, dass die tatsächlich
gräßlich komplizierten unterschiedlichen Linksläufigkeiten
von erbosten alten Fachmännern gerne einem einzigen General-Sündenbock
aufgehalst werden, was verständlich ist, unsere Aufgabe jedoch
ungemein erschwert.
In Indien haben wir den Asura Rahu, der natürlich brav mitquirlt,
und dann ist er plötzlich der Knotendrache; in Ägypten drillt
der Seth/Typhon mit dem Horus, und an der nächsten Ecke begegnet
er uns als Finsternisdaemon.
Eine 'Lösung' habe ich - wie
im Vorhinein betont wurde,- nicht anzubieten,
um zu einer solchen früher oder später zu gelangen, sollte
man, meines Erachtens, von der Arbeitshypothese ausgehen, dass - genau
so wie' der planetarische, selbstredend "gute" Herrscher
eines Weltalters (pourvu que cela d u r e, meinte Lätitia zurecht)
mit den Wagensternen in der rechten Band herumfuchtelt .. dass genau
so der pro Weltalter jeweils nominierte 'Teufel' den für alles
und jedes Anti-Rechtläufige verantwortlichen Drachen schwenkt:
in seiner linken Hand im Zweifelsfall. Und jeder kommt mal an die
Reihe, Musterkind und Kinderschreck vom Dienst zu spielen; besser:
jeder kam mal an die Reihe gemäß dem ursprünglich
gemeinten Schema. Leider aber bringen es die - sich misslicher Weise
kontinuierlich ereignende - politische Geschichte, Riesen- oder Abgottskriege,
soziale Umschichtungen, der Ausbruch von Offenbarungs-religionen und
dergleichen, mit sich, dass Traditions-Uhren abgestellt werden - dass
Filme zum Stehen gebracht werden und nur noch Diapositive übrig
bleiben.Und wer das Pech hat, in solchem historischen "Moment"
mit dem Typhon/Schwarzen Peter in der Hand angetroffen zu werden,
der wird zum Dauer-Teufel gestempelt. Dass fortlaufend Wachablösungen
stattfanden, erhellt nicht nur aus den numerierten Göttern in
Ciceros de natura deorum, des Nonnos drei Epiphanien des Dionysos,
sondern auch aus einem Ihnen ganz geläufigen Namen, dem man die
Zeitdimension extrahiert hat: Hermes Trismegistos. Es ist ganz unsinnig,
dieses "drei Mal groß" im Sinne einer Steigerung zu
begreifen, so als hatten bei dieser Namengebung devote Höflinge
ihre and im Spiele gehabt. Noch in unserer Renaissance wussten die
Eingeweihten von dreien dieses Namens , getrennt voneinander durch
eine stattliche Anzahl von saecula, bezw. millenia. Und in einem ägyptischen
Text (bei Lauth)stieß ich - zufällig, aber nicht unerwartet
auf den "2 mal großen Hermes"/Merkur. Den nämlichen
Merkur, der in späten Planetenlisten als Seth/Typhon aufgeführt
wird. Stegemann meint nun (p.1l3), einzig Nonnos, und das iranische
Bundahishn, ver-binde die Typhoneia mit dem Anbruch eines neuen Aion,
und obendrein postuliert er (p.112): "Die Idee des Sternkampfes
taucht im 2.Jahrhundert v.Chr. im Mittelmeergebiet zum ersten Mal
auf" auf dem Pergamon-Altar nämlich, wo außer Helios
und Selene, Orion, die Parthenos und die Zwillinge zu sehen seien
(vielleicht auch Bootes, aber dort sei die Zerstörung zu groß).
Das ist, mit Verlaub zu sagen, glatter Unfug. Alle mythischen Kriege
sind Sternkämpfe, und alle finden statt am Ende eines alten und
zu Beginn eines neuen Weltalters; ob der Troianische Krieg, Ragnarök,
das Mahabharata, d.h. der Kampf der Pandava und Kaurava in der "Dämmerung"
zwischen Dvpara- und Kali Yuga, die im Feng Shen Yen I geschilderte
Vernichtung der Shang (Yin) Dynastei und Einsettzung der Chou, oder
aber auch das sog. Babylonische Weltschöpfungsepos, das Enuma
Elish.
Um Stegemann -ungeachtet seiner großen Verdienste - auf die
Finger zu klopfen, brauchen wir im Moment nichts weiter als zwei winzig
kleine Stellen von Pindar. In der l.Pythischen Ode 19-20 sagt er,
auf dem im Tartaros liegenden 100 köpfigen Typhon laste kion
d'ourania synechei, niphóess' Aitna, der schneebedeckte Aetna,
die Himmelssäule; und in der 4.Olympischen Ode 8 redet Pindar
den Zs an: o Kronou pai hos echeis ipon anemossan hekatokephála
Typhonos obrimou, "Kind des Kronos, der du den Ätna hast
(oder hältst), die umstürmte Belastung des Typhon"
(so Pape s.v. ipos).
Nehmen Sie dazu Gruppe's naiv- und-gottesfürchtig geophysikalische
Feststellung (p.434): "Dämonen des Erdfeuers, wie Typhoeus...
und des Erdbebens... wie es
wahrscheinlich Polydotes.., Enkelados und Briareos-Aigaion waren...
werden später den Giganten zugezählt.."
'Dämonen des Erdfeuers'... Typhon ist zudem ja noch für
Wirbelstürme zuständig: Taifun - wie Briareos-Aigaion: dass
dich das Mäuslein beiß! Die sog.Säulen des Herakles
hießen vordem Säulen des Briareos; dieser selbst auch Herakles
palaioteros, der ältere Herakles, und zuvor hießen die
Säulen die des Kronos. Und der Briareos ist zum Überfluß
auch noch der Bewacher des schlafenden Kronos in Ogygia .
Mit den "Dämonen des Erdfeuers" ist es Essig, und Pindar
versteht den Typhon klärlich als Säulenträger; bei
Nonnos nennt Typhoeus den Atlas seinen Bruder, und Prometheus (Aischylos)fühlt
sich beiden, Atlas wie Typhoeus engstens verbunden. Der Witz ist halt
der, dass man zu einem Säulenträger wird, formuliert wird
es gerne als erwchröckliche Strafe(s. Einschub).Von den ach!
so häufig herangezogenen "Erdbeben" wollen wir erst
garnicht anfangen; die "Erde" bebt, wenn ein 'Atlas' seine
Last verschiebt, und das Gradnetz revidiert werden muss. (Nein, Erdbeben
werden hier nicht verharmlost.Umgekehrt wird ein Schuh draus! Die
Präzession, oder auch die Nutation, würde keinem von uns
eine Minute des Machtschlafes rauben: wir "wissen Bescheid".Um
die minimale Päzession als erschreckend-unheimliches Erdbeben
zu "empfinden", braucht es ein kosmisches Bewusstsein, das
unsereins nur mit allergrößter Konzentration zu imaginieren
vermag).