Le Renard Pale par Germaine Dieterlen et Marcel Griaule (Paris, 1965)

Der "helle" Fuchs

Kapitel I

AMMA

Erschaffung und Gestaltung der Zeichen. Klassifikation und Vervielfältigung der Zeichen.
Vom Zeichen zur Zeichnung. Repräsentationen. Die Rolle des Zeichens.

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1. AMMA

Am Anfang, vor allen Dingen, war Amma, Gott, und war auf nichts gegründet. Das kugelförmige Ei von Amma war geschlossen: bestand aber aus vier Teilen, die Schlüsselbeine genannt, auch eiförmig, und waren miteinander vereint, als ob miteinander verschweißt. Amma ist vier verbundene Schlüsselbeine; er ist nur vier Schlüsselbeine. Man sagt: "Die vier verbundenen (zusammengeklebten) Schlüsselbeine von Amma formen (sind) eine Kugel"; und man fügt hinzu: "darüber hinaus gibt es nichts ", das heißt: außer diesem existierte nichts.
Dieses Ei in seiner Gesamtheit wird mit einem Termitenhaufen verglichen, dessen Basis auf mehreren Kegeln (Säulen) steht; er evoziert zugleich die Einheit wie die Vielfalt, denn man sagt auch: "die Schlüsselbeine waren verklebt; die vier Schlüsselbeine von Amma waren wie vier Eier" .
Im ursprünglichen Sinne sind die vier Schlüsselbeine auch die Vorgabe für die vier Elemente, kize nay, "der Dinge vier", Wasser (di), Luft (ono), Feuer (yau), Erde (minne); in gleicher Weise stellt die ideale Vierteilung die vier Himmelsrichtungen dar, sibe nay, "der Winkel vier", das heißt somit auch den Raum. Deshalb waren die Grundelemente und der zukünftige Raum in der Gestalt des primordialen "Eies" schon angelegt.
Letztendlich erinnern die Schlüsselbeine in ihrer Einheit auf eine andere Weise an die Form des Getreides, und in besonderer Weise an das Samenkorn des yû - Getreides, die Form, von der die Zeichnung zeugt, die sie repräsentiert, genannt: "Zeichnung der Schlüsselbeine von Amma" (Fig. I). Man sagt: " die Schlüsselbeine von Amma ähneln der Form des yû , denn Amma erhält das Leben, deshalb auch die Hirse"; sie ist weiß, denn Amma ist ganz weiß" (amma pili vo).

Fig. 1 - tonu - der Schlüsselbeine von Amma

Das Wort amma hat den Sinn von: fest halten, fest umarmen und am selben Ort halten. Man nennt den Namen Amma jeden Tag, man ruft ihn an, wenn der Tag zu Ende geht, er ist der Hogon (Chef) des Arrangements, der Hogon der Verschwender, Amma ordnet alles, nachdem er alles vergeudet hat, Amma eins ist Raum vierzehn. Den Namen Ammas sagen heißt den ganzen Platz einnehmen. Der Name Amma heißt alles erhalten und bewahren.

 

Erschaffung und Gestaltung der Zeichen


Amma hatte alles in der Hand, denn er selbst hat den Plan der Welt und ihrer Ausdehnung entworfen. Denn Amma hat das Universum noch vor seiner Erschaffung gezeichnet. Das Material war das Wasser, mit dem der die Zeich(nung)en in den Raum stellte.
Man stellt das Ei von Amma in der Form einer länglichen Tafel bedeckt mit Zeichen vor, " Bauch aller Dinge der Welt " benannt (Fig.2), dessen Zentrum der Nabel ist. Vom Punkt des Zusammentreffens der zwei Achsen gingen zwei verkreuzte Zeichen weg, die die Schnittstelle der vier Hauptrichtungen markieren. Jeder der vier Abschnitte (Sektoren) enthielten acht Zeichnungen, wovon jedes wiederum selbst acht Zeichnungen produzierte. Das Oval enthielt somit 8 x 8 x 4 = 256 Zeichen, wozu noch weitere acht dazukamen, (je 2 für die Halbachsen) und zwei für die Mitte. Zusammen waren es also " 266 Zeichen von Amma " (amma bummõ) .

 

Fig. 2 - Der Bauch der Zeichen der Welt oder die "Tafel von Amma".


Mit jedem Sektor ist ein Element verbunden, von rechts unten nach links drehend, wie folgt: Erde, Feuer, Wasser, Luft. Die zwei Zeichen befestigt in der Mitte, am Schnittpunkt der zwei Achsen, sind die "Führungszeichen", bummõ giri, (litt. Augen-zeichen); die vier Zeichenpaare in den vier Sektoren werden bummõ ogo genannt, "die Meisterzeichen" ; die 256 Zeichen sind die "vollständigen Zeichen der Welt" (aduno liga bummõ). Die Gesamtheit all dieser Zeichen wird auch "unsichtbarer Amma" genannt.
Diese Hierarchie der Zeichen, die die zentrale Tafel bevölkern, steht in Harmonie mit "der Niederfahrt (Landung) und der Ausdehnung" der Welt; sie trägt den Namen "ausgesprochene (benannte?) (organisierte) Zeichen der niederfahrenden Welt ", die darauf hinweisen, daß jede der drei Kategorien eine besondere Aufgabe bei der Entstehung des Universums übernommen hat: die "Führungszeichen" zeigen den acht " Meisterzeichen " den Weg . Dieser Ausdruck kann auch weitergefasst verstanden werden: die "Führungszeichen" zeigen (lassen erkennen) die Reihenfolge der acht Meisterzeichen. Das heißt, daß sie die Zeichen, die folgen werden regieren und klassifizieren. Was die "acht Meisterzeichen" betrifft, geben sie allen Dingen eine Seele und die Lebenskraft . Mehr noch, diese zehn Zeichen bestimmen, ob (die Dinge) von großem oder kleinem Volumen sind. Schließlich geben die "vollständigen Zeichen der Welt" allem seine Farbe, seine Form, seine materielle Beschaffenheit . Zudem erlauben sie so die Schöpfung zu verstehen, denn "man erkennt die Wurzeln (das Prinzip, die Essenz) der Dinge an ihrer Form, ihrem Material und Farbe" . Dabei sollte nochmals daran erinnert werden, daß die Zeichen, Ausdruck des kreativen Denkens, schon vor den Dingen existiert haben, und sie somit bestimmt haben. " In der Sprache (Ideenwelt) der Dogon manifestieren sich alle Dinge durch das Denken; sie kennen sich nicht selbst ( existieren nicht in sich) .
Der Mechanismus des Schöpfung durch das Zeichensystem enthält zehn feste Zeichen (zwei "Führungs -, und acht Meisterzeichen"), die den beweglichen ("vollständigen") Zeichen das Leben einhauchen, die ihrerseits dann die Dinge zur Existenz kommen lassen.

 

Fig. 3 - Die zwei "Führungszeichen"


a) Das erste der beiden Führungszeichen wird burigia goy genannt, "Abschluß der Planung" (Fig. 3, rechts). Der wesentliche Teil, die Luft, ist im Zentrum dargestellt als eine Art S (von b bis c); die Luft weht über das Wasser, einem geknickten Segment (c (b?) bis d), das an die gewundenen Sturzbäche erinnert, und die Luft formt aus den aufspritzenden Wassertropfen die Wesen. Es bezeichnet auch die Erde, markiert durch die verlängerte, leicht geschwungene S-Kurve (von d bis zum Ende); es verpulvert sie und schleudert sie als Staub in die Luft, aus dem Wesen entstehen. Das Feuer, der unterste Teil des S scheint von den anderen Elementen getrennt zu sein; in seiner Gewundenheit sind die Herdhölzer (Knick von links) dargestellt und die Flamme, die sich zurückzieht (Knick von rechts). Die Luft pustet über das Feuer, das Funken sprüht, woraus Wesen entstehen. Das ganze verrührt und aus der dieser Substanz eine vierte Art von Wesen erschaffend, ruft Amma in jedem der Teile eine Explosion hervor, die zu Beginn der Existenz stattfindet.
b) Das zweite der beiden "Führungszeichen" wird "Einhüllzeichen" genannt (kogo bummõ). Es besteht aus einem einfachen vertikalen Strich und repräsentiert die Umhüllung (kogo ) der Wesen Fig.3, links). Seine Rolle besteht im Zurückbringen der "Haut" der vier Elemente in die " Meisterzeichen", das Reservoir der Seelen und der Kräfte, eingebettet im Amalgam und verwaltet durch den ersten Führer. Die Hülle sind die Zeugen der existierenden Dinge; sie verweilen im Innern von Amma und erinnern an den Ursprung; denn Amma hat zuerst seinen eigenen Zwilling erzeugt, das heißt, das Universum selbst. So wie das Universum selbst eine Wiedergabe von Amma ist, und ihn enthält, ebenso wird das Universum - und bleibt - von Amma durch die Zeichen zusammengehalten.
c) Das Paar der "Meisterzeichen" in jeden Sektor miteinbezogen (Fig.4), bezieht sich auf korrespondierende Elemente, die zwei Hauptzustände beschreiben.

 

Fig. 4 - Die Paare der "Meisterzeichen"


- A, ein schräger Bogen, endet am unteren Teil durch ein gerades Segment, das das Zeichen zur Hacke formt. Dies ist das Zeichen der Erde in seiner Unvollständigkeit (das Segment wurde vom Fuchs zerteilt, der dann das äußerste Ende stahl ). a, ein Zeichen das A ungefähr wiedergibt, und den unteren Teil der Hacke darstellt, ist das Stück, das der Fuchs geklaut hat und womit er, die vertikale Achse entlang, herabstieg. Das Produkt des Diebstahls wird durch den kleinen Strich markiert, der den verbrecherischen Akt verniedlicht.
- B, ein gebogener Hakenstil, der am Ende gerade ist, erinnert an den Krummstab des rituellen Diebs, mit dem das himmlische Feuer geraubt wurde, und dann vom Schmied in der Folgezeit benutz wurde. In b sind die Esse des Schmiedes und das Brennholz dargestellt; durch eine dicke Kurve, die sich nach rechts erhebt und in einem sehr kleinen Appendix endet, der Flamme.
- C, ein Bogen, wobei die Krümmung nach links zeigt, verbunden mit einem gerade Segment, schräg angehängt, symbolisiert die Öffnung des Himmels, wodurch das Wasser seinen Weg finden kann. Am Verbindungsteil der zwei Segmente, bezeichnet das kleinere gerade Stück am Ende des Bogens die Quelle, woraus die zwei Wasserläufe entspringen. Bei c ist die Öffnung vergrößert, um auch die "Arche der Welt" niederfahren zu lassen, der gerade Teil von c vergrößert sich von unten nach oben, bezeichnet einen Wasserlauf, der sich verbreitert.
- D, eine lange und dünne Sichel des Mondes, weit offen, ist die Luft, verteilt in alle Regionen; dick in der Mitte, ist sie viel seltener in der Höhe und in den Tiefen des Raumes; d ist eine Art dicker Sichel, auch sehr offen aber mit schmalem Griff; sie symbolisiert die schwere und kalte Luft, der Griff stellt das kühle Klima dar.
Die Rolle der "Meisterzeichen" besteht im allmählichen wieder herbeiholen der vom ersten Führer(zeichen) verstreuten Zeichen, die nur in den Raum geworfen wurden, um dort die Dinge zu offenbaren.
d) Die Entwicklung der der vollständigen Zeichen, die dritte Art von Zeichen seit der Schöpfung bis zur Realisation der Dinge, wird unten kurz vorgeführt, indem das Haus als Beispiel benutzt wird.

 

Fig. 5 - Das Zeichen für Hauses


Das Zeichen des Hauses (Fig.5) im Körper von Amma, und vor allem ganz Offenbarung, wird an einem Punkt a begonnen, Hof des Hauses, ginnu gono, genannt, der dem Sektor Erde zugeordnet ist. Der Hof, obligatorischer Durchgang für alle Benutzer, ist der Ort der Vereinigung (Versammlung?) der Seelen und Kräfte, der Ort des Wortes und der Ideen. "In diesem Punkt befindet sich die Idee zur zukünftigen graphischen Gestalt des Hauses ", das bedeutet, die Idee der vier Zeichen ausgedrückt in einem einzigen, die das des Hauses formen, sind wie folgt:

- der dicke Strich b, führt schräg von a weg, nach links oben und bedeutet "Form des Hauses"(ginu yege) ; er ist der Erde zugeordnet.
- der sehr offene Bogen c, der Hauspfosten (ginu dey), ist Teil von a und geht nach rechts ab; er ist an den Ränder leicht verdickt, um an die Irregularität des Hauses zu erinnern, wie sie sich in jeder Beziehung entwickelt; er ist dem Feuer zugeordnet, denn das Holz ist im Grunde das Feuer der Menschen(?).
- nach c, und in dessen Verlängerung ist ein kleiner Strich e gemalt, "Sinnbild für die vitale Kraft des Hauses" (ginnu nyama). Der dickere Strich, parallel zu e, d ist die "Seele des Hauses" (ginu kikinu) .
- zum Schluß noch der offene Bogen f, auf den sich e und d stützen, ist der "Wind des Hauses", der die Seele herträgt. Er ist der Luft zugeordnet. Der Bogen g, der ihn verlängert und sich zu b hin neigt, ist das "Wasser des Hauses" (ginu di), das die Kraft, nyama, hergebracht hat. Er endet in einer Spitze, der Quelle. Er ist dem Wasser zugeordnet.


In Form des Punktes a durchschreitet das Zeichen zuerst geleitet durch die "Meisterzeichen", die ihm korrespondieren, den Erdsektor, wo es die Seelen und die Kraft, nyama, des Hauses empfängt, das ihm dann die Form b gibt. Dann tritt es in Kontakt mit den "Meisterzeichen" des Feuersektors, wo es die Form von c annimmt. In den "Meisterzeichen" des Luftsektors nimmt es die Form von f an, was die Seele zur Gestalt werden läßt , die bisher an nyama gebunden war. Im Wassersektor wird es zu g. Seelen und nyama sind nun definitiv voneinander getrennt und ebenso enthält jedes Zeichen ein Hauptelement und, von geringerer Wichtigkeit, die drei anderen Elemente.
Indem es sich zu drehen beginnt, wird das Zeichen von der Tafel geworfen und beschreibt auf dem Weg, wo sich die vier Teile trennen, um eine neue Erscheinung anzunehmen, eine flache Spirale (cf. Fig. 6):

- die Form b wird b', Erde, denn dies ist die Erde, die dem Haus seine Gestalt gibt. Als Brückenbogen, zeigt das Zeichen einen dicken Brückenpfeiler, die erste Erde und die erste Welt, und ein dünnes, die zweite Erde und die zweite Welt.
- auf c', dem Brückenbogen, wo der rechte Pfeiler erhoben ist, markiert der linke Knick die Herdstelle, wo das Hol brennt, das zum Bauen dient.
- f wird f ', wobei die Form der von c' ähnelt, und es zeigt einen kurvigen Pfosten, um an die Vibration der Luft zu erinnern.
- g korrespondiert mit g ', und stellt durch eine sich verdünnende Verlängerung seines unteren Teils fießendes Wasser dar.

 

Fig. 6 - Entwicklung der Zeichen des Hauses

 

Aber die Formen und Volumina sind nicht urplötzlich entstanden. Im Verlauf dieser Transformationen, die sich einer fortwährenden Bewegung abgespielt haben, verbunden mit einer Serie von Explosionen, hat sich jedes Element nach der Zerteilung sich in sieben Etappen wieder neu hergestellt, jede durch ein korrespondierendes Zeichen markiert, das mit den sieben Größen der Mondphasen verbunden ist.
So hat auch ein Teil des Zeichens der Tomate, kelie, den Sinn von Feuer und bestehend aus einem langen Strich und mit einem waagrechten Haken versehen, entwickelt sich auch gemäß dem Schema der Fig. 7 C: das Schlußbild, als Achtes (s. Fig. 7 B), ist von derselben Form, nur von viel größerem Maßstab.

Fig. 7 - Das Zeichen der Tomate von Nommo. A Zeichen der Tomate. Zerlegung des Zeichens. C. Beispiel für das Fortschreiten von unten von der Spur von B.

 

Theoretisch besitzt jede der sieben Zeichen eine "Seele", die sich schließlich mit den andern zusammenschließt und mit der Gesamtheit, wovon dann der Name kikinu say (Euphemismus für kikinu soy "der Seelen 7"), der den spirituellen Prinzipien gegeben wurde, die das Bewußtsein und die Intelligenz jeglichen Seins sind.
Da jeder Teil nach dem oben benannten Prozess geformt wird, manifestiert das Zeichen in seiner Viergeteiltheit die erschaffenen Dinge und führt sie in die Existenz: "die Zeichen von Amma, die er in die Welt geworfen hat, sind gegangen und in die Dinge eingetreten, die (in diesem Moment) gewesen waren ".
Wenn das Zeichen aber älter ist als das Ding, das es bezeichnet, ist es vom freien und aktiven Geist abhängig. Man sagt, "Amma, der die Dinge beginnt, hat die bummõ mit dem Denken erwählt. Die erste Zeichnung entstand (mit der Arbeit) durch das Denken, das sie getrennt hat (in vier). Deshalb wurde (dadurch) die Schlußzeichnung (in vier Teilen) angefertigt . Es ist der Geist, der die Anfangszeichnung erdacht und realisiert hat und der durch Trennen die Essenz der Dinge vollendet und spezifiziert hat. In seinem ersten Zustand ist das Zeichen ein benanntes (gegliedertes?) Ensemble, das dann in vier Teile geteilt wird, wobei es auch erlaubt ist, die Grundelemente darin wieder zuerkennen, die das Ding ausstatten wird. Aber das Ding andererseits ist eine Wiederbenennung der Teile, die ein Ganzes und Komplettes formten, und einzigartig, nämlich es selbst: "Das Zeichen Ammas ist eins (alles). (Amma) hat es in verschiedene Teile zerlegt, er hat das Bild der vier Elemente geprägt, das Ding hat (indem es ein Ganzes formt) als Ganzes existiert .
Und das Ding zur Existenz gebracht, wird sich selbst bewußt, "versteht sich selbst" , als wenn man im Zeichen der Seele, kikinu say, die Präsenz der "intelligenten Seele" erkennt. Es macht es um so besser, als das Ziel der Zerlegung darin bestand ins Detail einer Definition zu gehen, das die getrennten Elemente noch expliziter darlegt, als sie durch die Gesamtheit des Ding erkennbar wären.
Alle "vollendeten Dinge" müssen eine Transformation und Ausarbeitung auf höchstem Niveau durchlaufen. Sie stellen die Entwicklung einer Familie dar, vergleichbar mit der des Menschen oder den mythischen Ahnen: das Paar zu Beginn im Zentrum ist das Par der großen Nommo. Die acht Meister sind die acht Ahnen; die anderen sind die Abkömmlinge der zehn ersten und sie formen eine Abfolge der nani, das heißt eine Verstärkereinheit, die die spirituellen Prinzipien der ersten weiterträgt.
Andererseits manifestiert sich in der Formgebung der abstrakten Zeichen selbst, die die Welt vorformen, das Wesentliche dieser Schöpfung selbst, die soeben stattfindet?. Das erschaffene Wesen wird besitzt männliche Prinzipien besitzen, ana, und weibliche Prinzipien besitzen ya. Auf dieser Ebene sagt man: sobald Amma ein lebendes Wesen erschaffen hat, legt das kikinu say ya in die Zeichnung der Plazenta. Das kikinu say ana wird in die Matrix selbst plaziert. Zu jeder Benennung eines Zeichens gibt es verschiedene Zeichnungen des kikinu say ya. Die verschiedenen Benennungen zusammengenommen sind wie eine Person .
Auf sozialer Ebene treten die 266-Mutter-Zeichen im Ensemble der vier Familien auf. Unter diesem Aspekt werden sie schematisch, sei es auf den Wänden oder Türen der Wohnhäuser oder Hauptheiligtümer der Familien, sei es im Bereich ihrer Funktion angebracht.
Andererseits werden die 266 bummõ von Amma, deren Teilung auf der achter Basis wir schon gesehen haben (s.o. p ??), auch auf folgende Weise klassifiziert: 6, dann 20, dann4 x 60. Beim Aussaatsfest, beim Opfern am Altar, der manna amma , Amma des Himmels, genannt wird, sagt der Arou Priester: Die Zahl von Amma ist 266; er beginnt mit 6 bummõ, denen er 20 hinzufügt; und dann 4 x 60; amma hat 6 bummõ der Dinge des Anfangs gemacht; er hat 20 hinzugefügt,(dann) hat er noch einmal 4 x 60 (bummõ) dazugelegt .
Diese zwei Arten bezeichnen eine Division auf der Basis von 8 für das Weiblich und eine Division auf der Basis von 6 für das Männliche. Das soll ausdrücken, daß der bummõ Symbol des kreativen Denkens Ammas, als Wesentliches - als spezifischer Wert der Zahl, ein anderer fundamentaler Ausdruck der Grundfesten der Schöpfung - die geschlechtliche Zwillings-haftigkeit enthält, männlich und weiblich, die die Basis der Realisation des göttlichen Denkens in die Materie bildet.

 

Klassifikation und Multiplikation der Zeichen


Die 266 Zeichen von Amma, "Mutter-zeichen" genannt, bummõ na, sind in Kategorien aufgeteilt, die das Wesentliche seines Denkens beinhalten.
- die 2 "Führungs-Zeichen" "gehören" aus ihrer Wesenheit heraus zu Amma alleine, deshalb sind sie von den andern getrennt;
- die 264 folgenden Zeichen sind in 22 Kategorien unterteilt, und werden "die 22 Familien der königlichen Dinge" genannt(kize ogo pelley ley sige togu); sie tragen jeweils einen Namen, der ihren Inhalt charakterisiert, und zwar in folgender Ordnung:

amma "Amma" , Gott
vageu "die Ahnen"
lebe "Lebe"
binu "Binou", Totem
so "Wort"
goru Zeremonie zum Wintersolstiz, dem Neujahr der Dogon
mono "das Zusammenkommen"
bado "der Vater ist angekommen", Frühling (Aussaat)
dine "Winterlich", Regenzeit
bago "der Vater ist gegangen", Herbst (Ernte)
nay banu "rote Sonne", Trocken- und Hitzezeit
volu "Anbau"
gelu "Ernte"
iru "Schmiede"
soyti "Weberei"
toro may "Töpfereiarbeit"
yau "Feuer"
di "Wasser"
ono "Luft"
minne "Erde"
dogo "Gras"
di bana "Meister des Wassers", Nommo

Jede der Kategorien zählt 12 Zeichen.
Aber die abstrakten Zeichen halten sich nicht an diese erste Reihenfolge. Ebenso wie sich das Universum ausdehnt, wie sich die von Amma geschaffenen Wesen vervielfältigen, wie die von ihm geformten Welten unzählbare sind, so müssen sich auch die Zeichen vervielfältigen. Jedes wird schon von seinem Beginn an als eines betrachtet, das schon vorher selbst eine Reihe von 266 neuen Zeichen geformt hat. Man sagt: "zweihundertsechsund- sechzig (Zeichen) entspringen aus dem Innern (Fundament) eines jeden Zeichens" .

 

Vom Zeichen zur Zeichnung


Die Entwicklung der Wesen und der Dinge des Universums ist nicht nur schon durch die 266 bummõ und ihrer Vervielfältigung vorgeprägt, sondern auch durch die Modifizierung und Fortentwicklung der Form des Zeichens, bis es zur Realisation des Dings oder des Wesens führt.
Denn nach der ersten Serie, der der abstrakten Zeichen: bummõ eingeritzt, kommt die zweite Serie, die der yala, "Markierung" oder "Bild", ausgeführt mit der Punktetechnik (Fig. 8). "Das yala eines Dings ist wie der Anfang eines Dings" . Deshalb, wenn man ein Haus baut, markiert man das Fundament mit den verschiedenen Ecksteinen: diese Steine sind das yala, "die Markierung" des zukünftigen Hauses. Und der Begriff yala hat auch den Sinn von Widerschein, der die zukünftigen Form der vorgestellten Sache ausdrückt.

 

Fig. 8 - yala und tonu des Hauses.


Die dritte Serie der Zeichen ist die des tõnu, "Graphik", "Schema", womit manchmal die Dinge umschrieben (umrundet) werden. Das tõnu ist eine schematische Spur der graphischen Elemente, die üblicherweise getrennt sind; dies ist der Entwurf, die Grobskizze des Dings oder des repräsentierten Wesens. Das Wort tõnu kommt von tõno, gestalten, was auch den Sinn von "anfangen" hat, aber im dynamischen Sinn des Wortes . Man sagt von Amma, der die "Dinge angestoßen" hat, amma kize tõno, um den Anfangselan, den er der Schöpfung zuteil werden ließ, seinerseits zu betonen. Diese Idee des Impulses tritt nicht im Ausdruck amma kize mana zutage "Amma hat die Dinge erschaffen", ein Satz, der die erreichte, von Amma beendete Aktion meint. Das tõnu des Hauses meint die Steinchen, die zwischen die rechtwinklig aufgeschichteten Steine gelegt werden, die die Mauern abschließen (Fig. 8).
Die vierte Serie erschafft die "Zeichnungen", tõymu (oder tõy), die dem repräsentierten Ding schon so realistisch wie möglich gleichen sollten; es soll schon die Sache selbst sein. Wenn man tatsächlich ein Haus gebaut hat, ist das dann so, als ob man eine komplette Zeichnung, tõymu, des Hauses angefertigt hat.
Man sagt, wenn man über das tõy und Amma spricht, zu zeichnen (tõy) ist ein Ding tun, das er (Amma) denkt , das heißt ja dann das erschaffene Ding in seiner Realität repräsentieren.
Dies ist auch die voranschreitende Erscheinungsform der spirituellen Prinzipien, die die Weiterentwicklung (Progression) des Zeichensystems (der Graphiken) unterstreichen: in den bummõ sind die vier kikinu des Körpers enthalten, welche die die vier Elemente sind, die Amma bei ihrem Beginn erschaffen hat. In die yala und den tõnu tritt die vitale Kraft nyama ein. Und so befindet sich das nyama der Erde in den Ecksteinen der Häuser, von denen man sagt, sie haben das nyama in den Ecken der Häuser .

Man sagt vom tõnu des Hauses, damit sind die Elemente gemeint, die zwischen den Ecksteinen plaziert sind und die die Mauern begrenzen, daß es "das nyama in den vier Seiten des Hauses hat" . In den tõymu wird das lebendige Wesen belebt und seine spirituellen Prinzipien vereint. Das tõymu des Hauses ist wie das Haus selbst, das die vier Elemente enthält. Und da das Haus ein unbelebtes Wesen ist, verweilen "die Seelen" des Hauses, kikinu, in dem Initial-bummõ in den Händen von Amma: ihr Zeuge sei die nicht verwesende Knolle, nono , ein Wort, das "unsterblich" bedeutet, die man unter eine Ecke des Hauses an der tiefsten Stelle vergräbt.
Auf der Ebene der lebenden Wesen geschieht das Voranschreiten ins Reale in gleicher Weise; der Same, der in die Frau eindringt, wird i yala illi, "Blutmarke des Kindes", genannt. Er transformiert sich in den Fötus, der dann der tõnu ist; wenn das Kind selbst voll entwickelt ist, ist es ein tõy: " die vier kikinu (des Körpers) des Menschen sind die yala (Bilder), der vier vereinten Elemente; die vier kikinu des Menschen sind (wie) die tõnu; allein der ganze Mensch ist ein tõy" . Wenn sich der mütterliche Bauch bewegt, sagt man: " der Bauch der Frau hat das Kind gemalt" .
Parallel dazu assoziiert man die Fortentwicklung des Zeichensystems mit dem Getreidewachstum. "Die bummõ zu zeichnen ist wie das Leben des Getreides (zu zeichnen); das yala zu zeichnen ist die Saat; den tõnu zeichnen ist die Keimung; das tõy zeichnen ist das Wachsen des Stengels" . Und man fügt hinzu: "meißeln (schnitzen) ist wie die Ähre formen" .
Der Unterschied, der zwischen den verschiedenen Repräsentationen existiert, drückt die Abfolgen der Erschaffung aus (deshalb fügen wir hier die Erklärungen dazu ein).
Es gibt im bummõ eine Vorgestaltung des Wesens, nicht in seiner physischen Form, sondern in der Art, wie eine materielle Form, als Bild von Ideen und deren Funktionen, die sich auf das repräsentierte Wesen beziehen, interpretiert werden kann:

- die bummõ des po zeichnen ihm seine spiralige Bewegung vor. Das Bild bezeichnet nicht die Granne, sondern sein internes Leben;
- der bummõ des Hauses, aus verbundenen Elementen gemacht, stellt "den Kreis der Familie" um den zentralen Hof des Anwesens dar;
- der bummõ des nommo anagonno, Symbol des Fötus, ist das Bild seiner zukünftigen Vervielfältigung und der Anzahl seiner spirituellen Prinzipien .

Auch die Abstraktion, die wir bei den bummõ durchführen, die reell in Bezug auf die Realisation in der Materie des Wesens das sie bezeichnet, ist, ist eigentlich nur eine Pseudo-Abstraktion: der Symbolismus umschließt die Charaktere, die Ideen, die Funktionen und die Pläne.
Das yala, im Gegensatz dazu, läßt zwei komplementäre und doch verschiedene Elemente zusammen kommen:
1. es bezeichnet durch eine Punktdarstellung das theoretische Schema eines repräsentierten Wesens und diese Theorie impliziert auch die Funktion, hier mit der Form verbunden.
2. die Punktdarstellung ist Zahl und diese Zahl korrespondiert mit der grundlegenden numerischen Klassifikation der universellen Elemente. Daher klassifiziert das Punktschema die Dinge:
das yala des Hauses läßt die Ecken des zukünftigen Hauses erkennen, eine architektonische Hilfe. Es besteht aus zwölf Punkten, diese Zahl kommt daher, da sie der unbebauten Erde und dem Fuchs zugeordnet sind.
das yala des "Eies" von Amma enthält eine interne Spirale, die auf die Form der Entwicklung des Lebens im Innern des "Eies" hinweist. Es besteht aus 266 Punkten, welche die 266 fundamentalen Zeichen beinhalten .
Der tõnu ist ein Schema, das das Wesen auf dem Weg zur Gestaltwerdung beschreibt, wobei es die wesentlichen Organe oder Elemente des Wesens zur Geltung kommen läßt:
der tõnu des nommo anagonno bezeichnet:

a) seine inneren Organe im Zustand der Zeichengebung,
b) das "hingestellt haben" dieser Elemente .

Das tõy ist eine Zeichnung, die das Maximum an Realität erreichen soll. "tõymu (Zeichnung) und tõnu (Graphik) sind damit nicht vergleichbar. Diese Zeichnung kommt der Sache gleich (dem Repräsentierten), die Graphik ist das Schema des Bildes (Symbol) des Dings (Sache?)" .

Die Unabhängigkeit und Autonomie des Zeichens im Verhältnis zur Zeichnung, die das geformte Wesen repräsentiert, seien hier nochmals unterstrichen:
"Das Zeichen ist und geht im Gehirn und Kopf umher. Die Wörter der Zeichnung sind im Körper. Das Wort (von) dem, was gezeichnet ist, drückt sich in den Artikulationen aus. Das Zeichen ist die Zeichnung, die umhergeht ." Und dazu noch: "Das Zeichen des Dogonwortes repräsentiert die Dinge. Das Zeichen, das ist das was sich in der Welt bewegt. Das Zeichen ist das Ding von allen Menschen. Der Handel läßt die Dinge in der Welt zirkulieren. Das Zeichen und der Handel sind die selbe Sache, ein einziges Wort ."

Andererseits, wie wir gesehen haben, bezeugt das Zeichen und im Folgenden die Schemata die Genese der Dinge, die sie repräsentieren; die Zeichnung versetzt es in die Wirklichkeit, aber, im Gegensatz dazu, bringt es auch zu seinem Ende. Man sagt: "Das Zeichen, das man schreibt, (ist) das Gute, das kommt.
Die Zeichnung, die man malt, kommt nach dem Guten und ist das Schlechte, das folgt (litt. endet) . "Einen Ausdruck den man wie folgt kommentiert: Im Körper von Amma waren die Zeichen. Amma erschuf die Welt, indem er die Dinge zusammenfügte (das hieß, die Dinge zusammen sammeln). Die Zeichen sind dann in jedes Ding gegangen, haben sich in Zeichnungen verwandelt und haben den Anfang vom Ende gezeichnet (das hieß, daß man den Beginn der Verwandlung markiert hat). Das Zeichen ist ein gutes Ding und (immer) da; die Zeichnung ist ein Ding, das ein Ende hat" . Zeichnen heißt entstehen lassen, und aber auch den ersten Schritt zu Zerstörung markieren.
Aber wenn auch das Zeichen und die Zeichnung die Geschichte der Vergangenheit enthalten, so sind sie auch ein Mittel um die Zukunft zu gestalten. Das rituelle Ausführen der aufeinander folgenden Graphiken ist wirksam, vorantreibend: es bringt die repräsentierte Sache zur Existenz, sie erschaffen sie neu, indem sie die aufeinander folgenden Etappen seiner Formierung (Entstehung?) nochmals durchlaufen (besonders im Innern oder an den Fassaden der Heiligtümer angebracht).
Das Material, das für die Graphiken verwandt wird, hat selbst eine besonderen Stellenwert; daher stammt die Benutzung dieser oder jener Art von Getreide bei der Herstellung des Breis, der für die Bemalung bestimmt ist und der Gebrauch der roten Erde, bana, der Kohle, etc., für die bunten Graphiken. Denn zur Symbolik der Graphik selbst gesellt sich zusätzlich noch die der benutzten Farbe. Die vielfarbigen Graphiken, tõy lelemu genannt, "vielfältige Zeichnungen", erreichen ein Maximum an Ausdruck und Wirksamkeit (s. Photo VII).
Wir haben gesehen, daß die Gestaltung des bummõ mit der Präsenz der vier Elemente (kize nay) verbunden ist, die implizit in der Aneinanderreihung der Graphiken verbleiben, die dann folgen. Aber alle müssen die Präsenz der Komplementarität der vier Himmelsrichtungen (sibe nay) bezeugen, die das repräsentierte Ding an seinen Platz stellen: so sind alle Graphiken immer nach den Himmelsrichtungen ausgerichtet.
Der bummõ, das Symbol für das Werk Ammas, angeregt im Geheimen seines Schoßes wird rituell ausgeführt - im allgemeinen nur einmal - bei der Grundsteinlegung der Altäre oder im Innern der Heiligtümer oder auch nicht, außer der verantwortliche Priester interveniert nicht. Als Gegenleistung werden die toy Zeichnungen, die die reale Sache bezeichnen, entsprungen aus dem Schoß, an die Fassaden der Häuser oder Heiligtümer gemalt und können von allen gesehen werden. Zudem wird das Gemalte durch den Regen weggewaschen, der äußerlich auch seine Form und seine Kraft mitnimmt, um sie "den Menschen zu geben" und um das weiterzuführen, was es in der Realität darstellt.
Beispiel: Im ersten Jahr des Baus eines Totemheiligtums zeichnet der Priester selbst das po mit dem po pilu Brei im Innern des Gebäudes. Im zweiten Jahr wird das po vom Opfernden außen angemalt; das Wasser des Regens "nimmt dann die Zeichnung in die Felder mit, wo sie den Anbau fördern.
Diese Bemerkung zur spezifischen Aktion des Zeichens oder Zeichnung für die Zukunft findet auch seine Anwendung bei der Spurenauswertung am Boden für das Wahrsagen der Tafeln des Fuchses.; man sagt: "die Dinge, die man zeichnet, zeichnet man, um die Dinge zu wissen, die morgen geschehen werden (das heißt: in der Zukunft)" .
Die Graphiken enthalten auch eine Belehrung: das abstrakte Zeichen, ausgeführt auf profane Art, aber im Geheimen, (als Bild des "Geheimen" im Schoß des Gottes, wo es geformt wurde) ist für den Initiierten gedacht; die Zeichnung, die jeder sehen kann, ist für den Neuling (Neophyten?). Denn sie stellen ein Archi-vierungssytstem bereit. "Einenteils unterrichten die Zeichen der Dinge die Kinder; die Zeichen der Dinge sind andererseits der Weg, den man folgt; deshalb nehmen (greifen) die Kinder die Zeichen der alten Dinge (Gebräuche) auf, wenn man sie zeichnet" .
Je mehr Zeichen ein Mensch kennt (besitzt), ums weiser ist er; die Kenntnis der Elemente der Schöpfung besteht nicht nur aus der Kenntnis über die Zeichen, sondern auch aus den Elementen, aus denen sie bestehen. Weder könnte ein Mensch ein bummõ erfinden noch das traditionelle Ensemble modifizieren. Ein neues Element zeichnen, würde eine Neuschöpfung bedeuten, und das ginge weit über von Amma erschaffene hinaus.
Man sagt von dem, der so handeln würde: er hat Amma überholt (Mangel an Respekt), amma galay .
Beim Ausführen der Graphiken sagt der Priester: Auf daß die Gedanken von Amma in mich hineinfahren; auf daß Amma mich den andern Menschen vorzieht, auf daß er mir mehr Leben gibt .

 

Repräsentationen


Man erinnere sich an die Schöpfung durch eine Graphik mit266 primordialen Zeichen, schematisch ausgeführt unter einem zu errichten den Stein, während seiner Aufstellung, in einer Umgebung, die in der Region von Sanga den Sitz von Amma, amma dõy, repräsentiert (cf. Karte II und Photo VI,1). Dieser Ort ist theoretisch zugleich die Tafel der Zeichen und das Zentrum des Eies von Amma, seine erste Manifestation, beginnend mit dieser Tafel (Fig. 9). Man sagt von dieser Graphik der 266 Zeichen: "die bummõ, die Amma selbst sind, sind die 266 Dinge, mit denen er alles angefangen hat" .

 

Fig. 9 - Graphik der Zeichen, die unter dem Sitz von Amma, amma doy, ausgeführt werden.


Sie bezeichnen die Reihe der Zeichen, die die aufeinander folgenden Etappen aller Dinge wiederholen: die bummõ durch kleine getrennte Striche, im Zigzack geformt; die yalas gepunktet dargestellt; die tõnu sind durch einen in vier Segmente geteilten Kreis angedeutet: ihre Erscheinungsart steht in Bezug zur Form wie zum Raum, denn sie bezeichnen auch die vier Himmelsrichtungen, oder "der Winkel vier", sibe nay. Schließlich zeugt das zentrale tõy, wo alle Zeichen in gleicher Weise zigzackmäßig verbunden sind, von ihrer letzten Etappe wie von ihrer Belebung. In diesem System der Repräsentationen bezeichnet die Abfolge der Graphiken auch die Präsenz der vier Elemente, dem bummõ, die Luft, dem yala, das Feuer, dem tõnu, dem Wasser und dem tõy, der Erde . Eine solche Graphik ist unter dem Altar von Amma, dem ersten ginna der Arou, nahe bei Arou-près-Ibi ausgeführt. Aber die vier Segmente des tõnu auch ausgerichtet, bezeichnen nicht nur die Kardinalrichtungen, benne nay, die vier Seiten, in Bezug auf die Erdoberfläche, sonder wie in der vorhergehenden Graphik, sind sie auch nach einer himmlischen Orientierung (sibe nay, der Winkel vier) angeordnet.
An diese Rolle der Zeichen wird beim Gebet erinnert, das das Opfer begleitet, das auf diesem Altar anläßlich der goru Zeremonie getätigt wird (ausgeführt zum Wintersolstiz). Der Patriarch, der die ganze Familie in seinem ginna vereint, sagt: "Amma des ginna, der aus dem Körper Ammas dem Schöpfer entsprungen ist, möge uns Amma Menschen schenken (zum gebären), aus dessen Körper die 266 Dinge entsprungen sind; gebe uns die Heirat, gebe uns Kinder zum Gebären; laß uns (auf unseren Schultern) den Stab des Blitzes? tragen; gib uns die acht Körner und die Kalebasse als neuntes; nimm und trinke (das Opfer); trinke nicht das Blut der Menschen sondern das des Geflügels, der Tiere; mache, das der Weggang des Vaters (Ernte) uns findet (am gleichen Platz)" . Dann befiehlt er dem Opfernden das Opfer darzubringen, indem er sagt: "gieße aus" (suro).
Die Autonomie des Zeichens (bummõ) sein wesentlicher primordialer Charakter des Dings, das es durch eine Art Manipulation der vier Elemente erhält (bezeichnet?), drückt sich auch in der Tatsache aus, daß nur die drei Kreise yala, tõnu und tõy vor dem Altar, anakazu dummo genannt, Stein des Tapferen, Amma geweiht und auf dem Hauptplatz (tay) eines jeden Dorfes aufgestellt, bei seiner Grundsteinlegung ausgeführt werden; denn wenn amma dõy "Amma im Himmel" repräsentiert, dann repräsentiert anakazu dummo ihn auf der Erde unter den Menschen. Der Stein ist leicht in der Form eines Punktes (in Form eines Eies) gestaltet; er ist viereckig und die Winkel markieren die Kardinalrichtungen der zukünftigen "Öffnung" des Eies von "Amma" .
Die Gesamtheit der Zeichen mit all ihren Aspekten (bummõ, yala, dõy und tõnu) werden unter anderem im Innern und an den Fassaden der Hauptheiligtümer der Totem angebracht. Dies über einen Zeitraum von 60 Jahren. Zu 60 Jahren sagt man "Zählung (Zahl?) der Plazenta" (me lugu). Das Gesamte wird "Zeichnung von allen Jahren, die kommen" genannt oder Zeichnung von alle 60 Jahre . "Auf die Heiligtümer zeichnet man die Dinge; sie gehen und dauern 60 Jahre" .
Nun, bei jedem Heiligtum ist die Ausführung der Graphiken jedes Jahr verschieden. "Jedes Jahr wechseln die Zeichnungen für jedes Heiligtum" . Die Gesamtheit von allen Zeichnungen aller Heiligtümer ausgeführt im selben Jahr stellt in der mythischen Zeit die "Arbeit eines Tages von Amma" dar. "Innerhalb eines Jahres die verschiedenen Zeichnungen auf die Heiligtümer zeichnen, das ist die Arbeit eines Tages von Amma. Die Zeichnungen der Heiligtümer, malt man jedes Jahr verschieden, dann erreicht man nach 60 Jahren ihre Gesamtheit, das ist die Zählweise von (so zählt?) Amma, der die Welt erschaffen hat" .
Auch für die Gesamtheit der Totem des Dogonvolkes wird die Gesamtheit deren Zeichen, mit denen Amma die Welt schuf, wiederholt, über eine Zeitperiode hinweg, die sich auf die Dauer der Schöpfung bezieht. Diese Wiederholung, die als antreibend und wirkungsvoll betrachtet wird, hat als Funktion das Wesen oder die zu repräsentierende Sache zu perpetuieren .
Die 266 primordialen Zeichen werden auf dem erhöhten Platz des Hogon von Arou im Verlauf von dessen Thronbesteigung ausgeführt. Die Graphik, aus einem Kreis bestehend (aus yu- oder ara geu-Brei), in dessen Zentrum 266 Punkte gemalt sind und vom Patriarchen der ältesten Familie des Stammes, Begründer des Dorfes, angefertigt; er läßt am Ende der Feierlichkeit den neuen Hogon auf die Zeichen sitzen.
Die Gesamtheit der Zeichen wird auch auf der Eingangspforte des Chefs von Arou angebracht, gemeinsames Werk der ältesten Schmiede, die unter den demmene ausgewählt sind. Sie wurde aus zwei verbundenen Schildern Teilen? hergestellt, die jede je 11 Reihen mit je 12 Elementen enthielt; macht im ganzen 264 (Fig. 10 A) . Das Ganze wurde umgeben, oder vielmehr vereint durch eine Art graphischem Netz mit den 22 Zeichen der Kategorie di bana (Fig. 10 B), die gemäß der numerischen Anordnung? die Winkel einer gebrochenen Spirale markierte, beginnend in der Mitte und sich dann aufrollend bis zum Rand, um sich dann wieder in der Mitte zu schließen.

 

Fig. 10 - Theoretisches Schema der Metallplatten der Türen des Hogon von Arou
A. Die 266 primordialen Zeichen.
B. Die 22 Zeichen der Kategorie di bana auf A eingeritzt.


Die acht Pforten der verschiedenen Anwesen und Dependencen einer großen Familie waren einst geschlossen und die Zeichen dem Stamm vorbehalten. Die wichtigste Tür war die ogo ta, die Pforte des Chefs, am Eingang der Bleibe angebracht und enthielt die Hälfte der Zeichen; alle anderen sieben zusammen die andere Hälfte.
An die Schöpfung und die Tafel der Zeichen wird jährlich vor der Aussaat (a bado) erinnert, durch folgenden Ritus. Der Chef einer Familie begibt sich früh morgens aufs "Feld der Ahnen", vageu minne, und säubert einen kleinen Platz, um dort die Zeichen auszuführen (anzubringen). Er stellt dann einen umgekehrten Korb tazu auf den Platz, um einen Kreis zu malen, der denselben Namen trägt, wie der Altar des Feldes, dann macht er einen Steinerhaufen, sogo . Mit dem Gesicht nach Osten zeichnet er dann einen kleinen Kreis von etwa 12 cm Durchmesser ins Innere des großen Kreises, dann in der Mitte setzt er einen Punkt. Dann, während des Tages malt er eine Zigzacklinie um den Innenkreis und wiederholt diese Zigzacklinie 22 mal, um den Kreis mit einer Menge an Spuren zu füllen, die dann alle möglichen Zeichen darstellen können (Fig.11). Man sagt von diesem Gebaren: "die 266 (Zeichen) sind nun auf das Feld der Ahnen gezeichnet" . Bei der Ausführung sagt der Patriarch: "Amma, gebe Regen, gebe reife Hirse, auf daß die Hirse nach Osten gehe" .

Fig. 11 - Theoretisches Schema der 266 Zeichen, ausgeführt auf dem
"Feld der Ahnen", vageu minne.

Den Raum, den die Zeichen im Feld erhielten, bleibt frei von Korn, aber man stellt etwas Räucherwerk außen an die 4 Eckpunkte, und pflanzt Korn, das man mit etwas Erde bedeckt.
Der Innenkreis, frei von Zeichen ist der Himmel; darum sind die Sterne. Denn zu jedem Zeichen gehört ein Stern. Die vier Kornähren sind die vier Himmelsrichtungen. Die Zeichnung benennt auch alle anderen Körner, die zwar auch auf dem yu-Feld repräsentiert werden, die aber in Wirklichkeit da nicht ausgesät wurden. Das Feld wir dann von der Familie bestellt; in der Winterzeit kann man noch in der Mitte des Feldes die leere Stelle sehen, wo die Zeichen gemacht wurden.


Die Rolle der Zeichen


Durch die Zeichen, direkter Ausdruck eines Denkens, begann Amma seine Schöpfung, die Erschaffung der Welt, aduno.
"Die bummo, die Amma selbst sind, sind die 266 Dinge des Anfangs (litt. die er begonnen hat)" .
Man sagt von Amma, daß er " die Dinge begonnen hat", amma kize tono; dieser letzte Ausdruck bedeutet im dynamischen Sinne, den Anfangselan, den er der Schöpfung gibt und seine Schöpfungsintension. "Als Amma begann (tono) die Dinge entstehen zu lassen, hatte er seine Gedanken im Gehirn (Geist?). Das Denken hat er in sein Gehirn geschrieben (tono). Sein Denken, das ist die erste Graphik (tonu)" .
Aber man unterstreicht auch die Identität der "Zeichen" und der "Wörter", verbaler Ausdruck des Denkens. Auch sagt man, "in den Schlüsselbeinen von Amma in Kugelform lagen alle die Dinge, die er hatte, als Zeichen vor" . Aber, "wenn auch die Zeichen vor den Worten existiert haben, sind die Worte und Zeichen der Schlüsselbeine von Amma ein und dasselbe" .
Und man unterstreicht diese Identität durch die Bestätigung, daß die "Wurzeln (Basis) der gesamten Sprache der Dogon so zahlreich sind, wie die Anzahl der Zeichen" .
Das Ei der Zeichen wird "Ei von Amma, Hüter der Welt" , genannt. Wenn die Schöpfung beendet sein wird, und dann zerstört sein wird, sagt man dann "das leere Ei von Amma hat das Leben auf der Welt zerstört" , denn ebenso wie durch die Zeichen Amma die Welt begonnen hat, ebenso negiert er sie durch die Zerstörung der Zeichen.

 

 

 

Unsere Anmerkungen:

 

Originalanmerkungen:

[1]

[2]

 

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