1. AMMA
Am Anfang, vor allen Dingen, war Amma, Gott, und war
auf nichts gegründet. Das kugelförmige Ei von Amma war geschlossen:
bestand aber aus vier Teilen, die Schlüsselbeine genannt, auch eiförmig,
und waren miteinander vereint, als ob miteinander verschweißt. Amma
ist vier verbundene Schlüsselbeine; er ist nur vier Schlüsselbeine.
Man sagt: "Die vier verbundenen (zusammengeklebten) Schlüsselbeine
von Amma formen (sind) eine Kugel"; und man fügt hinzu: "darüber
hinaus gibt es nichts ", das heißt: außer diesem existierte
nichts.
Dieses Ei in seiner Gesamtheit wird mit einem Termitenhaufen verglichen,
dessen Basis auf mehreren Kegeln (Säulen) steht; er evoziert zugleich
die Einheit wie die Vielfalt, denn man sagt auch: "die Schlüsselbeine
waren verklebt; die vier Schlüsselbeine von Amma waren wie vier
Eier" .
Im ursprünglichen Sinne sind die vier Schlüsselbeine auch die
Vorgabe für die vier Elemente, kize nay, "der Dinge vier",
Wasser (di), Luft (ono), Feuer (yau), Erde (minne); in gleicher Weise
stellt die ideale Vierteilung die vier Himmelsrichtungen dar, sibe nay,
"der Winkel vier", das heißt somit auch den Raum. Deshalb
waren die Grundelemente und der zukünftige Raum in der Gestalt des
primordialen "Eies" schon angelegt.
Letztendlich erinnern die Schlüsselbeine in ihrer Einheit auf eine
andere Weise an die Form des Getreides, und in besonderer Weise an das
Samenkorn des yû - Getreides, die Form, von der die Zeichnung zeugt,
die sie repräsentiert, genannt: "Zeichnung der Schlüsselbeine
von Amma" (Fig. I). Man sagt: " die Schlüsselbeine von
Amma ähneln der Form des yû , denn Amma erhält das Leben,
deshalb auch die Hirse"; sie ist weiß, denn Amma ist ganz weiß"
(amma pili vo).

Fig. 1 - tonu - der Schlüsselbeine
von Amma
Das Wort amma hat den Sinn von: fest halten, fest umarmen und am selben
Ort halten. Man nennt den Namen Amma jeden Tag, man ruft ihn an, wenn
der Tag zu Ende geht, er ist der Hogon (Chef) des Arrangements, der Hogon
der Verschwender, Amma ordnet alles, nachdem er alles vergeudet hat, Amma
eins ist Raum vierzehn. Den Namen Ammas sagen heißt den ganzen Platz
einnehmen. Der Name Amma heißt alles erhalten und bewahren.
Erschaffung und Gestaltung der Zeichen
Amma hatte alles in der Hand, denn er selbst hat den Plan der Welt und
ihrer Ausdehnung entworfen. Denn Amma hat das Universum noch vor seiner
Erschaffung gezeichnet. Das Material war das Wasser, mit dem der die Zeich(nung)en
in den Raum stellte.
Man stellt das Ei von Amma in der Form einer länglichen Tafel bedeckt
mit Zeichen vor, " Bauch aller Dinge der Welt " benannt (Fig.2),
dessen Zentrum der Nabel ist. Vom Punkt des Zusammentreffens der zwei
Achsen gingen zwei verkreuzte Zeichen weg, die die Schnittstelle der vier
Hauptrichtungen markieren. Jeder der vier Abschnitte (Sektoren) enthielten
acht Zeichnungen, wovon jedes wiederum selbst acht Zeichnungen produzierte.
Das Oval enthielt somit 8 x 8 x 4 = 256 Zeichen, wozu noch weitere acht
dazukamen, (je 2 für die Halbachsen) und zwei für die Mitte.
Zusammen waren es also " 266 Zeichen von Amma " (amma bummõ)
.

Fig. 2 - Der Bauch der Zeichen der
Welt oder die "Tafel von Amma".
Mit jedem Sektor ist ein Element verbunden, von rechts unten nach links
drehend, wie folgt: Erde, Feuer, Wasser, Luft. Die zwei Zeichen befestigt
in der Mitte, am Schnittpunkt der zwei Achsen, sind die "Führungszeichen",
bummõ giri, (litt. Augen-zeichen); die vier Zeichenpaare in den
vier Sektoren werden bummõ ogo genannt, "die Meisterzeichen"
; die 256 Zeichen sind die "vollständigen Zeichen der Welt"
(aduno liga bummõ). Die Gesamtheit all dieser Zeichen wird auch
"unsichtbarer Amma" genannt.
Diese Hierarchie der Zeichen, die die zentrale Tafel bevölkern, steht
in Harmonie mit "der Niederfahrt (Landung) und der Ausdehnung"
der Welt; sie trägt den Namen "ausgesprochene (benannte?) (organisierte)
Zeichen der niederfahrenden Welt ", die darauf hinweisen, daß
jede der drei Kategorien eine besondere Aufgabe bei der Entstehung des
Universums übernommen hat: die "Führungszeichen" zeigen
den acht " Meisterzeichen " den Weg . Dieser Ausdruck kann auch
weitergefasst verstanden werden: die "Führungszeichen"
zeigen (lassen erkennen) die Reihenfolge der acht Meisterzeichen. Das
heißt, daß sie die Zeichen, die folgen werden regieren und
klassifizieren. Was die "acht Meisterzeichen" betrifft, geben
sie allen Dingen eine Seele und die Lebenskraft . Mehr noch, diese zehn
Zeichen bestimmen, ob (die Dinge) von großem oder kleinem Volumen
sind. Schließlich geben die "vollständigen Zeichen der
Welt" allem seine Farbe, seine Form, seine materielle Beschaffenheit
. Zudem erlauben sie so die Schöpfung zu verstehen, denn "man
erkennt die Wurzeln (das Prinzip, die Essenz) der Dinge an ihrer Form,
ihrem Material und Farbe" . Dabei sollte nochmals daran erinnert
werden, daß die Zeichen, Ausdruck des kreativen Denkens, schon vor
den Dingen existiert haben, und sie somit bestimmt haben. " In der
Sprache (Ideenwelt) der Dogon manifestieren sich alle Dinge durch das
Denken; sie kennen sich nicht selbst ( existieren nicht in sich) .
Der Mechanismus des Schöpfung durch das Zeichensystem enthält
zehn feste Zeichen (zwei "Führungs -, und acht Meisterzeichen"),
die den beweglichen ("vollständigen") Zeichen das Leben
einhauchen, die ihrerseits dann die Dinge zur Existenz kommen lassen.

Fig. 3 - Die zwei "Führungszeichen"
a) Das erste der beiden Führungszeichen wird burigia goy genannt,
"Abschluß der Planung" (Fig. 3, rechts). Der wesentliche
Teil, die Luft, ist im Zentrum dargestellt als eine Art S (von b bis c);
die Luft weht über das Wasser, einem geknickten Segment (c (b?) bis
d), das an die gewundenen Sturzbäche erinnert, und die Luft formt
aus den aufspritzenden Wassertropfen die Wesen. Es bezeichnet auch die
Erde, markiert durch die verlängerte, leicht geschwungene S-Kurve
(von d bis zum Ende); es verpulvert sie und schleudert sie als Staub in
die Luft, aus dem Wesen entstehen. Das Feuer, der unterste Teil des S
scheint von den anderen Elementen getrennt zu sein; in seiner Gewundenheit
sind die Herdhölzer (Knick von links) dargestellt und die Flamme,
die sich zurückzieht (Knick von rechts). Die Luft pustet über
das Feuer, das Funken sprüht, woraus Wesen entstehen. Das ganze verrührt
und aus der dieser Substanz eine vierte Art von Wesen erschaffend, ruft
Amma in jedem der Teile eine Explosion hervor, die zu Beginn der Existenz
stattfindet.
b) Das zweite der beiden "Führungszeichen" wird "Einhüllzeichen"
genannt (kogo bummõ). Es besteht aus einem einfachen vertikalen
Strich und repräsentiert die Umhüllung (kogo ) der Wesen Fig.3,
links). Seine Rolle besteht im Zurückbringen der "Haut"
der vier Elemente in die " Meisterzeichen", das Reservoir der
Seelen und der Kräfte, eingebettet im Amalgam und verwaltet durch
den ersten Führer. Die Hülle sind die Zeugen der existierenden
Dinge; sie verweilen im Innern von Amma und erinnern an den Ursprung;
denn Amma hat zuerst seinen eigenen Zwilling erzeugt, das heißt,
das Universum selbst. So wie das Universum selbst eine Wiedergabe von
Amma ist, und ihn enthält, ebenso wird das Universum - und bleibt
- von Amma durch die Zeichen zusammengehalten.
c) Das Paar der "Meisterzeichen" in jeden Sektor miteinbezogen
(Fig.4), bezieht sich auf korrespondierende Elemente, die zwei Hauptzustände
beschreiben.

Fig. 4 - Die Paare der "Meisterzeichen"
- A, ein schräger Bogen, endet am unteren Teil durch ein gerades
Segment, das das Zeichen zur Hacke formt. Dies ist das Zeichen der Erde
in seiner Unvollständigkeit (das Segment wurde vom Fuchs zerteilt,
der dann das äußerste Ende stahl ). a, ein Zeichen das A ungefähr
wiedergibt, und den unteren Teil der Hacke darstellt, ist das Stück,
das der Fuchs geklaut hat und womit er, die vertikale Achse entlang, herabstieg.
Das Produkt des Diebstahls wird durch den kleinen Strich markiert, der
den verbrecherischen Akt verniedlicht.
- B, ein gebogener Hakenstil, der am Ende gerade ist, erinnert an den
Krummstab des rituellen Diebs, mit dem das himmlische Feuer geraubt wurde,
und dann vom Schmied in der Folgezeit benutz wurde. In b sind die Esse
des Schmiedes und das Brennholz dargestellt; durch eine dicke Kurve, die
sich nach rechts erhebt und in einem sehr kleinen Appendix endet, der
Flamme.
- C, ein Bogen, wobei die Krümmung nach links zeigt, verbunden mit
einem gerade Segment, schräg angehängt, symbolisiert die Öffnung
des Himmels, wodurch das Wasser seinen Weg finden kann. Am Verbindungsteil
der zwei Segmente, bezeichnet das kleinere gerade Stück am Ende des
Bogens die Quelle, woraus die zwei Wasserläufe entspringen. Bei c
ist die Öffnung vergrößert, um auch die "Arche der
Welt" niederfahren zu lassen, der gerade Teil von c vergrößert
sich von unten nach oben, bezeichnet einen Wasserlauf, der sich verbreitert.
- D, eine lange und dünne Sichel des Mondes, weit offen, ist die
Luft, verteilt in alle Regionen; dick in der Mitte, ist sie viel seltener
in der Höhe und in den Tiefen des Raumes; d ist eine Art dicker Sichel,
auch sehr offen aber mit schmalem Griff; sie symbolisiert die schwere
und kalte Luft, der Griff stellt das kühle Klima dar.
Die Rolle der "Meisterzeichen" besteht im allmählichen
wieder herbeiholen der vom ersten Führer(zeichen) verstreuten Zeichen,
die nur in den Raum geworfen wurden, um dort die Dinge zu offenbaren.
d) Die Entwicklung der der vollständigen Zeichen, die dritte Art
von Zeichen seit der Schöpfung bis zur Realisation der Dinge, wird
unten kurz vorgeführt, indem das Haus als Beispiel benutzt wird.

Fig. 5 - Das Zeichen für Hauses
Das Zeichen des Hauses (Fig.5) im Körper von Amma, und vor allem
ganz Offenbarung, wird an einem Punkt a begonnen, Hof des Hauses, ginnu
gono, genannt, der dem Sektor Erde zugeordnet ist. Der Hof, obligatorischer
Durchgang für alle Benutzer, ist der Ort der Vereinigung (Versammlung?)
der Seelen und Kräfte, der Ort des Wortes und der Ideen. "In
diesem Punkt befindet sich die Idee zur zukünftigen graphischen Gestalt
des Hauses ", das bedeutet, die Idee der vier Zeichen ausgedrückt
in einem einzigen, die das des Hauses formen, sind wie folgt:
- der dicke Strich b, führt schräg von a weg, nach links oben
und bedeutet "Form des Hauses"(ginu yege) ; er ist der Erde
zugeordnet.
- der sehr offene Bogen c, der Hauspfosten (ginu dey), ist Teil von a
und geht nach rechts ab; er ist an den Ränder leicht verdickt, um
an die Irregularität des Hauses zu erinnern, wie sie sich in jeder
Beziehung entwickelt; er ist dem Feuer zugeordnet, denn das Holz ist im
Grunde das Feuer der Menschen(?).
- nach c, und in dessen Verlängerung ist ein kleiner Strich e gemalt,
"Sinnbild für die vitale Kraft des Hauses" (ginnu nyama).
Der dickere Strich, parallel zu e, d ist die "Seele des Hauses"
(ginu kikinu) .
- zum Schluß noch der offene Bogen f, auf den sich e und d stützen,
ist der "Wind des Hauses", der die Seele herträgt. Er ist
der Luft zugeordnet. Der Bogen g, der ihn verlängert und sich zu
b hin neigt, ist das "Wasser des Hauses" (ginu di), das die
Kraft, nyama, hergebracht hat. Er endet in einer Spitze, der Quelle. Er
ist dem Wasser zugeordnet.
In Form des Punktes a durchschreitet das Zeichen zuerst geleitet durch
die "Meisterzeichen", die ihm korrespondieren, den Erdsektor,
wo es die Seelen und die Kraft, nyama, des Hauses empfängt, das ihm
dann die Form b gibt. Dann tritt es in Kontakt mit den "Meisterzeichen"
des Feuersektors, wo es die Form von c annimmt. In den "Meisterzeichen"
des Luftsektors nimmt es die Form von f an, was die Seele zur Gestalt
werden läßt , die bisher an nyama gebunden war. Im Wassersektor
wird es zu g. Seelen und nyama sind nun definitiv voneinander getrennt
und ebenso enthält jedes Zeichen ein Hauptelement und, von geringerer
Wichtigkeit, die drei anderen Elemente.
Indem es sich zu drehen beginnt, wird das Zeichen von der Tafel geworfen
und beschreibt auf dem Weg, wo sich die vier Teile trennen, um eine neue
Erscheinung anzunehmen, eine flache Spirale (cf. Fig. 6):
- die Form b wird b', Erde, denn dies ist die Erde, die dem Haus seine
Gestalt gibt. Als Brückenbogen, zeigt das Zeichen einen dicken Brückenpfeiler,
die erste Erde und die erste Welt, und ein dünnes, die zweite Erde
und die zweite Welt.
- auf c', dem Brückenbogen, wo der rechte Pfeiler erhoben ist, markiert
der linke Knick die Herdstelle, wo das Hol brennt, das zum Bauen dient.
- f wird f ', wobei die Form der von c' ähnelt, und es zeigt einen
kurvigen Pfosten, um an die Vibration der Luft zu erinnern.
- g korrespondiert mit g ', und stellt durch eine sich verdünnende
Verlängerung seines unteren Teils fießendes Wasser dar.

Fig. 6 - Entwicklung der Zeichen des
Hauses
Aber die Formen und Volumina sind nicht urplötzlich entstanden.
Im Verlauf dieser Transformationen, die sich einer fortwährenden
Bewegung abgespielt haben, verbunden mit einer Serie von Explosionen,
hat sich jedes Element nach der Zerteilung sich in sieben Etappen wieder
neu hergestellt, jede durch ein korrespondierendes Zeichen markiert, das
mit den sieben Größen der Mondphasen verbunden ist.
So hat auch ein Teil des Zeichens der Tomate, kelie, den Sinn von Feuer
und bestehend aus einem langen Strich und mit einem waagrechten Haken
versehen, entwickelt sich auch gemäß dem Schema der Fig. 7
C: das Schlußbild, als Achtes (s. Fig. 7 B), ist von derselben Form,
nur von viel größerem Maßstab.

Fig. 7 - Das Zeichen der Tomate von
Nommo. A Zeichen der Tomate. Zerlegung des Zeichens. C. Beispiel für
das Fortschreiten von unten von der Spur von B.
Theoretisch besitzt jede der sieben Zeichen eine "Seele", die
sich schließlich mit den andern zusammenschließt und mit der
Gesamtheit, wovon dann der Name kikinu say (Euphemismus für kikinu
soy "der Seelen 7"), der den spirituellen Prinzipien gegeben
wurde, die das Bewußtsein und die Intelligenz jeglichen Seins sind.
Da jeder Teil nach dem oben benannten Prozess geformt wird, manifestiert
das Zeichen in seiner Viergeteiltheit die erschaffenen Dinge und führt
sie in die Existenz: "die Zeichen von Amma, die er in die Welt geworfen
hat, sind gegangen und in die Dinge eingetreten, die (in diesem Moment)
gewesen waren ".
Wenn das Zeichen aber älter ist als das Ding, das es bezeichnet,
ist es vom freien und aktiven Geist abhängig. Man sagt, "Amma,
der die Dinge beginnt, hat die bummõ mit dem Denken erwählt.
Die erste Zeichnung entstand (mit der Arbeit) durch das Denken, das sie
getrennt hat (in vier). Deshalb wurde (dadurch) die Schlußzeichnung
(in vier Teilen) angefertigt . Es ist der Geist, der die Anfangszeichnung
erdacht und realisiert hat und der durch Trennen die Essenz der Dinge
vollendet und spezifiziert hat. In seinem ersten Zustand ist das Zeichen
ein benanntes (gegliedertes?) Ensemble, das dann in vier Teile geteilt
wird, wobei es auch erlaubt ist, die Grundelemente darin wieder zuerkennen,
die das Ding ausstatten wird. Aber das Ding andererseits ist eine Wiederbenennung
der Teile, die ein Ganzes und Komplettes formten, und einzigartig, nämlich
es selbst: "Das Zeichen Ammas ist eins (alles). (Amma) hat es in
verschiedene Teile zerlegt, er hat das Bild der vier Elemente geprägt,
das Ding hat (indem es ein Ganzes formt) als Ganzes existiert .
Und das Ding zur Existenz gebracht, wird sich selbst bewußt, "versteht
sich selbst" , als wenn man im Zeichen der Seele, kikinu say, die
Präsenz der "intelligenten Seele" erkennt. Es macht es
um so besser, als das Ziel der Zerlegung darin bestand ins Detail einer
Definition zu gehen, das die getrennten Elemente noch expliziter darlegt,
als sie durch die Gesamtheit des Ding erkennbar wären.
Alle "vollendeten Dinge" müssen eine Transformation und
Ausarbeitung auf höchstem Niveau durchlaufen. Sie stellen die Entwicklung
einer Familie dar, vergleichbar mit der des Menschen oder den mythischen
Ahnen: das Paar zu Beginn im Zentrum ist das Par der großen Nommo.
Die acht Meister sind die acht Ahnen; die anderen sind die Abkömmlinge
der zehn ersten und sie formen eine Abfolge der nani, das heißt
eine Verstärkereinheit, die die spirituellen Prinzipien der ersten
weiterträgt.
Andererseits manifestiert sich in der Formgebung der abstrakten Zeichen
selbst, die die Welt vorformen, das Wesentliche dieser Schöpfung
selbst, die soeben stattfindet?. Das erschaffene Wesen wird besitzt männliche
Prinzipien besitzen, ana, und weibliche Prinzipien besitzen ya. Auf dieser
Ebene sagt man: sobald Amma ein lebendes Wesen erschaffen hat, legt das
kikinu say ya in die Zeichnung der Plazenta. Das kikinu say ana wird in
die Matrix selbst plaziert. Zu jeder Benennung eines Zeichens gibt es
verschiedene Zeichnungen des kikinu say ya. Die verschiedenen Benennungen
zusammengenommen sind wie eine Person .
Auf sozialer Ebene treten die 266-Mutter-Zeichen im Ensemble der vier
Familien auf. Unter diesem Aspekt werden sie schematisch, sei es auf den
Wänden oder Türen der Wohnhäuser oder Hauptheiligtümer
der Familien, sei es im Bereich ihrer Funktion angebracht.
Andererseits werden die 266 bummõ von Amma, deren Teilung auf der
achter Basis wir schon gesehen haben (s.o. p ??), auch auf folgende Weise
klassifiziert: 6, dann 20, dann4 x 60. Beim Aussaatsfest, beim Opfern
am Altar, der manna amma , Amma des Himmels, genannt wird, sagt der Arou
Priester: Die Zahl von Amma ist 266; er beginnt mit 6 bummõ, denen
er 20 hinzufügt; und dann 4 x 60; amma hat 6 bummõ der Dinge
des Anfangs gemacht; er hat 20 hinzugefügt,(dann) hat er noch einmal
4 x 60 (bummõ) dazugelegt .
Diese zwei Arten bezeichnen eine Division auf der Basis von 8 für
das Weiblich und eine Division auf der Basis von 6 für das Männliche.
Das soll ausdrücken, daß der bummõ Symbol des kreativen
Denkens Ammas, als Wesentliches - als spezifischer Wert der Zahl, ein
anderer fundamentaler Ausdruck der Grundfesten der Schöpfung - die
geschlechtliche Zwillings-haftigkeit enthält, männlich und weiblich,
die die Basis der Realisation des göttlichen Denkens in die Materie
bildet.
Klassifikation und Multiplikation der Zeichen
Die 266 Zeichen von Amma, "Mutter-zeichen" genannt, bummõ
na, sind in Kategorien aufgeteilt, die das Wesentliche seines Denkens
beinhalten.
- die 2 "Führungs-Zeichen" "gehören" aus
ihrer Wesenheit heraus zu Amma alleine, deshalb sind sie von den andern
getrennt;
- die 264 folgenden Zeichen sind in 22 Kategorien unterteilt, und werden
"die 22 Familien der königlichen Dinge" genannt(kize ogo
pelley ley sige togu); sie tragen jeweils einen Namen, der ihren Inhalt
charakterisiert, und zwar in folgender Ordnung:
amma "Amma" , Gott
vageu "die Ahnen"
lebe "Lebe"
binu "Binou", Totem
so "Wort"
goru Zeremonie zum Wintersolstiz, dem Neujahr der Dogon
mono "das Zusammenkommen"
bado "der Vater ist angekommen", Frühling (Aussaat)
dine "Winterlich", Regenzeit
bago "der Vater ist gegangen", Herbst (Ernte)
nay banu "rote Sonne", Trocken- und Hitzezeit
volu "Anbau"
gelu "Ernte"
iru "Schmiede"
soyti "Weberei"
toro may "Töpfereiarbeit"
yau "Feuer"
di "Wasser"
ono "Luft"
minne "Erde"
dogo "Gras"
di bana "Meister des Wassers", Nommo
Jede der Kategorien zählt 12 Zeichen.
Aber die abstrakten Zeichen halten sich nicht an diese erste Reihenfolge.
Ebenso wie sich das Universum ausdehnt, wie sich die von Amma geschaffenen
Wesen vervielfältigen, wie die von ihm geformten Welten unzählbare
sind, so müssen sich auch die Zeichen vervielfältigen. Jedes
wird schon von seinem Beginn an als eines betrachtet, das schon vorher
selbst eine Reihe von 266 neuen Zeichen geformt hat. Man sagt: "zweihundertsechsund-
sechzig (Zeichen) entspringen aus dem Innern (Fundament) eines jeden Zeichens"
.
Vom Zeichen zur Zeichnung
Die Entwicklung der Wesen und der Dinge des Universums ist nicht nur schon
durch die 266 bummõ und ihrer Vervielfältigung vorgeprägt,
sondern auch durch die Modifizierung und Fortentwicklung der Form des
Zeichens, bis es zur Realisation des Dings oder des Wesens führt.
Denn nach der ersten Serie, der der abstrakten Zeichen: bummõ eingeritzt,
kommt die zweite Serie, die der yala, "Markierung" oder "Bild",
ausgeführt mit der Punktetechnik (Fig. 8). "Das yala eines Dings
ist wie der Anfang eines Dings" . Deshalb, wenn man ein Haus baut,
markiert man das Fundament mit den verschiedenen Ecksteinen: diese Steine
sind das yala, "die Markierung" des zukünftigen Hauses.
Und der Begriff yala hat auch den Sinn von Widerschein, der die zukünftigen
Form der vorgestellten Sache ausdrückt.

Fig. 8 - yala und tonu des Hauses.
Die dritte Serie der Zeichen ist die des tõnu, "Graphik",
"Schema", womit manchmal die Dinge umschrieben (umrundet) werden.
Das tõnu ist eine schematische Spur der graphischen Elemente, die
üblicherweise getrennt sind; dies ist der Entwurf, die Grobskizze
des Dings oder des repräsentierten Wesens. Das Wort tõnu kommt
von tõno, gestalten, was auch den Sinn von "anfangen"
hat, aber im dynamischen Sinn des Wortes . Man sagt von Amma, der die
"Dinge angestoßen" hat, amma kize tõno, um den
Anfangselan, den er der Schöpfung zuteil werden ließ, seinerseits
zu betonen. Diese Idee des Impulses tritt nicht im Ausdruck amma kize
mana zutage "Amma hat die Dinge erschaffen", ein Satz, der die
erreichte, von Amma beendete Aktion meint. Das tõnu des Hauses
meint die Steinchen, die zwischen die rechtwinklig aufgeschichteten Steine
gelegt werden, die die Mauern abschließen (Fig. 8).
Die vierte Serie erschafft die "Zeichnungen", tõymu (oder
tõy), die dem repräsentierten Ding schon so realistisch wie
möglich gleichen sollten; es soll schon die Sache selbst sein. Wenn
man tatsächlich ein Haus gebaut hat, ist das dann so, als ob man
eine komplette Zeichnung, tõymu, des Hauses angefertigt hat.
Man sagt, wenn man über das tõy und Amma spricht, zu zeichnen
(tõy) ist ein Ding tun, das er (Amma) denkt , das heißt ja
dann das erschaffene Ding in seiner Realität repräsentieren.
Dies ist auch die voranschreitende Erscheinungsform der spirituellen Prinzipien,
die die Weiterentwicklung (Progression) des Zeichensystems (der Graphiken)
unterstreichen: in den bummõ sind die vier kikinu des Körpers
enthalten, welche die die vier Elemente sind, die Amma bei ihrem Beginn
erschaffen hat. In die yala und den tõnu tritt die vitale Kraft
nyama ein. Und so befindet sich das nyama der Erde in den Ecksteinen der
Häuser, von denen man sagt, sie haben das nyama in den Ecken der
Häuser .
Man sagt vom tõnu des Hauses, damit sind die Elemente gemeint,
die zwischen den Ecksteinen plaziert sind und die die Mauern begrenzen,
daß es "das nyama in den vier Seiten des Hauses hat" .
In den tõymu wird das lebendige Wesen belebt und seine spirituellen
Prinzipien vereint. Das tõymu des Hauses ist wie das Haus selbst,
das die vier Elemente enthält. Und da das Haus ein unbelebtes Wesen
ist, verweilen "die Seelen" des Hauses, kikinu, in dem Initial-bummõ
in den Händen von Amma: ihr Zeuge sei die nicht verwesende Knolle,
nono , ein Wort, das "unsterblich" bedeutet, die man unter eine
Ecke des Hauses an der tiefsten Stelle vergräbt.
Auf der Ebene der lebenden Wesen geschieht das Voranschreiten ins Reale
in gleicher Weise; der Same, der in die Frau eindringt, wird i yala illi,
"Blutmarke des Kindes", genannt. Er transformiert sich in den
Fötus, der dann der tõnu ist; wenn das Kind selbst voll entwickelt
ist, ist es ein tõy: " die vier kikinu (des Körpers)
des Menschen sind die yala (Bilder), der vier vereinten Elemente; die
vier kikinu des Menschen sind (wie) die tõnu; allein der ganze
Mensch ist ein tõy" . Wenn sich der mütterliche Bauch
bewegt, sagt man: " der Bauch der Frau hat das Kind gemalt"
.
Parallel dazu assoziiert man die Fortentwicklung des Zeichensystems mit
dem Getreidewachstum. "Die bummõ zu zeichnen ist wie das Leben
des Getreides (zu zeichnen); das yala zu zeichnen ist die Saat; den tõnu
zeichnen ist die Keimung; das tõy zeichnen ist das Wachsen des
Stengels" . Und man fügt hinzu: "meißeln (schnitzen)
ist wie die Ähre formen" .
Der Unterschied, der zwischen den verschiedenen Repräsentationen
existiert, drückt die Abfolgen der Erschaffung aus (deshalb fügen
wir hier die Erklärungen dazu ein).
Es gibt im bummõ eine Vorgestaltung des Wesens, nicht in seiner
physischen Form, sondern in der Art, wie eine materielle Form, als Bild
von Ideen und deren Funktionen, die sich auf das repräsentierte Wesen
beziehen, interpretiert werden kann:
- die bummõ des po zeichnen ihm seine spiralige Bewegung vor.
Das Bild bezeichnet nicht die Granne, sondern sein internes Leben;
- der bummõ des Hauses, aus verbundenen Elementen gemacht, stellt
"den Kreis der Familie" um den zentralen Hof des Anwesens dar;
- der bummõ des nommo anagonno, Symbol des Fötus, ist das
Bild seiner zukünftigen Vervielfältigung und der Anzahl seiner
spirituellen Prinzipien .
Auch die Abstraktion, die wir bei den bummõ durchführen,
die reell in Bezug auf die Realisation in der Materie des Wesens das sie
bezeichnet, ist, ist eigentlich nur eine Pseudo-Abstraktion: der Symbolismus
umschließt die Charaktere, die Ideen, die Funktionen und die Pläne.
Das yala, im Gegensatz dazu, läßt zwei komplementäre und
doch verschiedene Elemente zusammen kommen:
1. es bezeichnet durch eine Punktdarstellung das theoretische Schema eines
repräsentierten Wesens und diese Theorie impliziert auch die Funktion,
hier mit der Form verbunden.
2. die Punktdarstellung ist Zahl und diese Zahl korrespondiert mit der
grundlegenden numerischen Klassifikation der universellen Elemente. Daher
klassifiziert das Punktschema die Dinge:
das yala des Hauses läßt die Ecken des zukünftigen Hauses
erkennen, eine architektonische Hilfe. Es besteht aus zwölf Punkten,
diese Zahl kommt daher, da sie der unbebauten Erde und dem Fuchs zugeordnet
sind.
das yala des "Eies" von Amma enthält eine interne Spirale,
die auf die Form der Entwicklung des Lebens im Innern des "Eies"
hinweist. Es besteht aus 266 Punkten, welche die 266 fundamentalen Zeichen
beinhalten .
Der tõnu ist ein Schema, das das Wesen auf dem Weg zur Gestaltwerdung
beschreibt, wobei es die wesentlichen Organe oder Elemente des Wesens
zur Geltung kommen läßt:
der tõnu des nommo anagonno bezeichnet:
a) seine inneren Organe im Zustand der Zeichengebung,
b) das "hingestellt haben" dieser Elemente .
Das tõy ist eine Zeichnung, die das Maximum an Realität erreichen
soll. "tõymu (Zeichnung) und tõnu (Graphik) sind damit
nicht vergleichbar. Diese Zeichnung kommt der Sache gleich (dem Repräsentierten),
die Graphik ist das Schema des Bildes (Symbol) des Dings (Sache?)"
.
Die Unabhängigkeit und Autonomie des Zeichens im Verhältnis
zur Zeichnung, die das geformte Wesen repräsentiert, seien hier nochmals
unterstrichen:
"Das Zeichen ist und geht im Gehirn und Kopf umher. Die Wörter
der Zeichnung sind im Körper. Das Wort (von) dem, was gezeichnet
ist, drückt sich in den Artikulationen aus. Das Zeichen ist die Zeichnung,
die umhergeht ." Und dazu noch: "Das Zeichen des Dogonwortes
repräsentiert die Dinge. Das Zeichen, das ist das was sich in der
Welt bewegt. Das Zeichen ist das Ding von allen Menschen. Der Handel läßt
die Dinge in der Welt zirkulieren. Das Zeichen und der Handel sind die
selbe Sache, ein einziges Wort ."
Andererseits, wie wir gesehen haben, bezeugt das Zeichen und im Folgenden
die Schemata die Genese der Dinge, die sie repräsentieren; die Zeichnung
versetzt es in die Wirklichkeit, aber, im Gegensatz dazu, bringt es auch
zu seinem Ende. Man sagt: "Das Zeichen, das man schreibt, (ist) das
Gute, das kommt.
Die Zeichnung, die man malt, kommt nach dem Guten und ist das Schlechte,
das folgt (litt. endet) . "Einen Ausdruck den man wie folgt kommentiert:
Im Körper von Amma waren die Zeichen. Amma erschuf die Welt, indem
er die Dinge zusammenfügte (das hieß, die Dinge zusammen sammeln).
Die Zeichen sind dann in jedes Ding gegangen, haben sich in Zeichnungen
verwandelt und haben den Anfang vom Ende gezeichnet (das hieß, daß
man den Beginn der Verwandlung markiert hat). Das Zeichen ist ein gutes
Ding und (immer) da; die Zeichnung ist ein Ding, das ein Ende hat"
. Zeichnen heißt entstehen lassen, und aber auch den ersten Schritt
zu Zerstörung markieren.
Aber wenn auch das Zeichen und die Zeichnung die Geschichte der Vergangenheit
enthalten, so sind sie auch ein Mittel um die Zukunft zu gestalten. Das
rituelle Ausführen der aufeinander folgenden Graphiken ist wirksam,
vorantreibend: es bringt die repräsentierte Sache zur Existenz, sie
erschaffen sie neu, indem sie die aufeinander folgenden Etappen seiner
Formierung (Entstehung?) nochmals durchlaufen (besonders im Innern oder
an den Fassaden der Heiligtümer angebracht).
Das Material, das für die Graphiken verwandt wird, hat selbst eine
besonderen Stellenwert; daher stammt die Benutzung dieser oder jener Art
von Getreide bei der Herstellung des Breis, der für die Bemalung
bestimmt ist und der Gebrauch der roten Erde, bana, der Kohle, etc., für
die bunten Graphiken. Denn zur Symbolik der Graphik selbst gesellt sich
zusätzlich noch die der benutzten Farbe. Die vielfarbigen Graphiken,
tõy lelemu genannt, "vielfältige Zeichnungen", erreichen
ein Maximum an Ausdruck und Wirksamkeit (s. Photo VII).
Wir haben gesehen, daß die Gestaltung des bummõ mit der Präsenz
der vier Elemente (kize nay) verbunden ist, die implizit in der Aneinanderreihung
der Graphiken verbleiben, die dann folgen. Aber alle müssen die Präsenz
der Komplementarität der vier Himmelsrichtungen (sibe nay) bezeugen,
die das repräsentierte Ding an seinen Platz stellen: so sind alle
Graphiken immer nach den Himmelsrichtungen ausgerichtet.
Der bummõ, das Symbol für das Werk Ammas, angeregt im Geheimen
seines Schoßes wird rituell ausgeführt - im allgemeinen nur
einmal - bei der Grundsteinlegung der Altäre oder im Innern der Heiligtümer
oder auch nicht, außer der verantwortliche Priester interveniert
nicht. Als Gegenleistung werden die toy Zeichnungen, die die reale Sache
bezeichnen, entsprungen aus dem Schoß, an die Fassaden der Häuser
oder Heiligtümer gemalt und können von allen gesehen werden.
Zudem wird das Gemalte durch den Regen weggewaschen, der äußerlich
auch seine Form und seine Kraft mitnimmt, um sie "den Menschen zu
geben" und um das weiterzuführen, was es in der Realität
darstellt.
Beispiel: Im ersten Jahr des Baus eines Totemheiligtums zeichnet der Priester
selbst das po mit dem po pilu Brei im Innern des Gebäudes. Im zweiten
Jahr wird das po vom Opfernden außen angemalt; das Wasser des Regens
"nimmt dann die Zeichnung in die Felder mit, wo sie den Anbau fördern.
Diese Bemerkung zur spezifischen Aktion des Zeichens oder Zeichnung für
die Zukunft findet auch seine Anwendung bei der Spurenauswertung am Boden
für das Wahrsagen der Tafeln des Fuchses.; man sagt: "die Dinge,
die man zeichnet, zeichnet man, um die Dinge zu wissen, die morgen geschehen
werden (das heißt: in der Zukunft)" .
Die Graphiken enthalten auch eine Belehrung: das abstrakte Zeichen, ausgeführt
auf profane Art, aber im Geheimen, (als Bild des "Geheimen"
im Schoß des Gottes, wo es geformt wurde) ist für den Initiierten
gedacht; die Zeichnung, die jeder sehen kann, ist für den Neuling
(Neophyten?). Denn sie stellen ein Archi-vierungssytstem bereit. "Einenteils
unterrichten die Zeichen der Dinge die Kinder; die Zeichen der Dinge sind
andererseits der Weg, den man folgt; deshalb nehmen (greifen) die Kinder
die Zeichen der alten Dinge (Gebräuche) auf, wenn man sie zeichnet"
.
Je mehr Zeichen ein Mensch kennt (besitzt), ums weiser ist er; die Kenntnis
der Elemente der Schöpfung besteht nicht nur aus der Kenntnis über
die Zeichen, sondern auch aus den Elementen, aus denen sie bestehen. Weder
könnte ein Mensch ein bummõ erfinden noch das traditionelle
Ensemble modifizieren. Ein neues Element zeichnen, würde eine Neuschöpfung
bedeuten, und das ginge weit über von Amma erschaffene hinaus.
Man sagt von dem, der so handeln würde: er hat Amma überholt
(Mangel an Respekt), amma galay .
Beim Ausführen der Graphiken sagt der Priester: Auf daß die
Gedanken von Amma in mich hineinfahren; auf daß Amma mich den andern
Menschen vorzieht, auf daß er mir mehr Leben gibt .
Repräsentationen
Man erinnere sich an die Schöpfung durch eine Graphik mit266 primordialen
Zeichen, schematisch ausgeführt unter einem zu errichten den Stein,
während seiner Aufstellung, in einer Umgebung, die in der Region
von Sanga den Sitz von Amma, amma dõy, repräsentiert (cf.
Karte II und Photo VI,1). Dieser Ort ist theoretisch zugleich die Tafel
der Zeichen und das Zentrum des Eies von Amma, seine erste Manifestation,
beginnend mit dieser Tafel (Fig. 9). Man sagt von dieser Graphik der 266
Zeichen: "die bummõ, die Amma selbst sind, sind die 266 Dinge,
mit denen er alles angefangen hat" .

Fig. 9 - Graphik der Zeichen, die unter
dem Sitz von Amma, amma doy, ausgeführt werden.
Sie bezeichnen die Reihe der Zeichen, die die aufeinander folgenden Etappen
aller Dinge wiederholen: die bummõ durch kleine getrennte Striche,
im Zigzack geformt; die yalas gepunktet dargestellt; die tõnu sind
durch einen in vier Segmente geteilten Kreis angedeutet: ihre Erscheinungsart
steht in Bezug zur Form wie zum Raum, denn sie bezeichnen auch die vier
Himmelsrichtungen, oder "der Winkel vier", sibe nay. Schließlich
zeugt das zentrale tõy, wo alle Zeichen in gleicher Weise zigzackmäßig
verbunden sind, von ihrer letzten Etappe wie von ihrer Belebung. In diesem
System der Repräsentationen bezeichnet die Abfolge der Graphiken
auch die Präsenz der vier Elemente, dem bummõ, die Luft, dem
yala, das Feuer, dem tõnu, dem Wasser und dem tõy, der Erde
. Eine solche Graphik ist unter dem Altar von Amma, dem ersten ginna der
Arou, nahe bei Arou-près-Ibi ausgeführt. Aber die vier Segmente
des tõnu auch ausgerichtet, bezeichnen nicht nur die Kardinalrichtungen,
benne nay, die vier Seiten, in Bezug auf die Erdoberfläche, sonder
wie in der vorhergehenden Graphik, sind sie auch nach einer himmlischen
Orientierung (sibe nay, der Winkel vier) angeordnet.
An diese Rolle der Zeichen wird beim Gebet erinnert, das das Opfer begleitet,
das auf diesem Altar anläßlich der goru Zeremonie getätigt
wird (ausgeführt zum Wintersolstiz). Der Patriarch, der die ganze
Familie in seinem ginna vereint, sagt: "Amma des ginna, der aus dem
Körper Ammas dem Schöpfer entsprungen ist, möge uns Amma
Menschen schenken (zum gebären), aus dessen Körper die 266 Dinge
entsprungen sind; gebe uns die Heirat, gebe uns Kinder zum Gebären;
laß uns (auf unseren Schultern) den Stab des Blitzes? tragen; gib
uns die acht Körner und die Kalebasse als neuntes; nimm und trinke
(das Opfer); trinke nicht das Blut der Menschen sondern das des Geflügels,
der Tiere; mache, das der Weggang des Vaters (Ernte) uns findet (am gleichen
Platz)" . Dann befiehlt er dem Opfernden das Opfer darzubringen,
indem er sagt: "gieße aus" (suro).
Die Autonomie des Zeichens (bummõ) sein wesentlicher primordialer
Charakter des Dings, das es durch eine Art Manipulation der vier Elemente
erhält (bezeichnet?), drückt sich auch in der Tatsache aus,
daß nur die drei Kreise yala, tõnu und tõy vor dem
Altar, anakazu dummo genannt, Stein des Tapferen, Amma geweiht und auf
dem Hauptplatz (tay) eines jeden Dorfes aufgestellt, bei seiner Grundsteinlegung
ausgeführt werden; denn wenn amma dõy "Amma im Himmel"
repräsentiert, dann repräsentiert anakazu dummo ihn auf der
Erde unter den Menschen. Der Stein ist leicht in der Form eines Punktes
(in Form eines Eies) gestaltet; er ist viereckig und die Winkel markieren
die Kardinalrichtungen der zukünftigen "Öffnung" des
Eies von "Amma" .
Die Gesamtheit der Zeichen mit all ihren Aspekten (bummõ, yala,
dõy und tõnu) werden unter anderem im Innern und an den
Fassaden der Hauptheiligtümer der Totem angebracht. Dies über
einen Zeitraum von 60 Jahren. Zu 60 Jahren sagt man "Zählung
(Zahl?) der Plazenta" (me lugu). Das Gesamte wird "Zeichnung
von allen Jahren, die kommen" genannt oder Zeichnung von alle 60
Jahre . "Auf die Heiligtümer zeichnet man die Dinge; sie gehen
und dauern 60 Jahre" .
Nun, bei jedem Heiligtum ist die Ausführung der Graphiken jedes Jahr
verschieden. "Jedes Jahr wechseln die Zeichnungen für jedes
Heiligtum" . Die Gesamtheit von allen Zeichnungen aller Heiligtümer
ausgeführt im selben Jahr stellt in der mythischen Zeit die "Arbeit
eines Tages von Amma" dar. "Innerhalb eines Jahres die verschiedenen
Zeichnungen auf die Heiligtümer zeichnen, das ist die Arbeit eines
Tages von Amma. Die Zeichnungen der Heiligtümer, malt man jedes Jahr
verschieden, dann erreicht man nach 60 Jahren ihre Gesamtheit, das ist
die Zählweise von (so zählt?) Amma, der die Welt erschaffen
hat" .
Auch für die Gesamtheit der Totem des Dogonvolkes wird die Gesamtheit
deren Zeichen, mit denen Amma die Welt schuf, wiederholt, über eine
Zeitperiode hinweg, die sich auf die Dauer der Schöpfung bezieht.
Diese Wiederholung, die als antreibend und wirkungsvoll betrachtet wird,
hat als Funktion das Wesen oder die zu repräsentierende Sache zu
perpetuieren .
Die 266 primordialen Zeichen werden auf dem erhöhten Platz des Hogon
von Arou im Verlauf von dessen Thronbesteigung ausgeführt. Die Graphik,
aus einem Kreis bestehend (aus yu- oder ara geu-Brei), in dessen Zentrum
266 Punkte gemalt sind und vom Patriarchen der ältesten Familie des
Stammes, Begründer des Dorfes, angefertigt; er läßt am
Ende der Feierlichkeit den neuen Hogon auf die Zeichen sitzen.
Die Gesamtheit der Zeichen wird auch auf der Eingangspforte des Chefs
von Arou angebracht, gemeinsames Werk der ältesten Schmiede, die
unter den demmene ausgewählt sind. Sie wurde aus zwei verbundenen
Schildern Teilen? hergestellt, die jede je 11 Reihen mit je 12 Elementen
enthielt; macht im ganzen 264 (Fig. 10 A) . Das Ganze wurde umgeben, oder
vielmehr vereint durch eine Art graphischem Netz mit den 22 Zeichen der
Kategorie di bana (Fig. 10 B), die gemäß der numerischen Anordnung?
die Winkel einer gebrochenen Spirale markierte, beginnend in der Mitte
und sich dann aufrollend bis zum Rand, um sich dann wieder in der Mitte
zu schließen.

Fig. 10 - Theoretisches Schema der
Metallplatten der Türen des Hogon von Arou
A. Die 266 primordialen Zeichen.
B. Die 22 Zeichen der Kategorie di bana auf A eingeritzt.
Die acht Pforten der verschiedenen Anwesen und Dependencen einer großen
Familie waren einst geschlossen und die Zeichen dem Stamm vorbehalten.
Die wichtigste Tür war die ogo ta, die Pforte des Chefs, am Eingang
der Bleibe angebracht und enthielt die Hälfte der Zeichen; alle anderen
sieben zusammen die andere Hälfte.
An die Schöpfung und die Tafel der Zeichen wird jährlich vor
der Aussaat (a bado) erinnert, durch folgenden Ritus. Der Chef einer Familie
begibt sich früh morgens aufs "Feld der Ahnen", vageu minne,
und säubert einen kleinen Platz, um dort die Zeichen auszuführen
(anzubringen). Er stellt dann einen umgekehrten Korb tazu auf den Platz,
um einen Kreis zu malen, der denselben Namen trägt, wie der Altar
des Feldes, dann macht er einen Steinerhaufen, sogo . Mit dem Gesicht
nach Osten zeichnet er dann einen kleinen Kreis von etwa 12 cm Durchmesser
ins Innere des großen Kreises, dann in der Mitte setzt er einen
Punkt. Dann, während des Tages malt er eine Zigzacklinie um den Innenkreis
und wiederholt diese Zigzacklinie 22 mal, um den Kreis mit einer Menge
an Spuren zu füllen, die dann alle möglichen Zeichen darstellen
können (Fig.11). Man sagt von diesem Gebaren: "die 266 (Zeichen)
sind nun auf das Feld der Ahnen gezeichnet" . Bei der Ausführung
sagt der Patriarch: "Amma, gebe Regen, gebe reife Hirse, auf daß
die Hirse nach Osten gehe" .

Fig. 11 - Theoretisches Schema der
266 Zeichen, ausgeführt auf dem
"Feld der Ahnen", vageu minne.
Den Raum, den die Zeichen im Feld erhielten, bleibt frei
von Korn, aber man stellt etwas Räucherwerk außen an die 4
Eckpunkte, und pflanzt Korn, das man mit etwas Erde bedeckt.
Der Innenkreis, frei von Zeichen ist der Himmel; darum sind die Sterne.
Denn zu jedem Zeichen gehört ein Stern. Die vier Kornähren sind
die vier Himmelsrichtungen. Die Zeichnung benennt auch alle anderen Körner,
die zwar auch auf dem yu-Feld repräsentiert werden, die aber in Wirklichkeit
da nicht ausgesät wurden. Das Feld wir dann von der Familie bestellt;
in der Winterzeit kann man noch in der Mitte des Feldes die leere Stelle
sehen, wo die Zeichen gemacht wurden.
Die Rolle der Zeichen
Durch die Zeichen, direkter Ausdruck eines Denkens, begann Amma seine
Schöpfung, die Erschaffung der Welt, aduno.
"Die bummo, die Amma selbst sind, sind die 266 Dinge des Anfangs
(litt. die er begonnen hat)" .
Man sagt von Amma, daß er " die Dinge begonnen hat", amma
kize tono; dieser letzte Ausdruck bedeutet im dynamischen Sinne, den Anfangselan,
den er der Schöpfung gibt und seine Schöpfungsintension. "Als
Amma begann (tono) die Dinge entstehen zu lassen, hatte er seine Gedanken
im Gehirn (Geist?). Das Denken hat er in sein Gehirn geschrieben (tono).
Sein Denken, das ist die erste Graphik (tonu)" .
Aber man unterstreicht auch die Identität der "Zeichen"
und der "Wörter", verbaler Ausdruck des Denkens. Auch sagt
man, "in den Schlüsselbeinen von Amma in Kugelform lagen alle
die Dinge, die er hatte, als Zeichen vor" . Aber, "wenn auch
die Zeichen vor den Worten existiert haben, sind die Worte und Zeichen
der Schlüsselbeine von Amma ein und dasselbe" .
Und man unterstreicht diese Identität durch die Bestätigung,
daß die "Wurzeln (Basis) der gesamten Sprache der Dogon so
zahlreich sind, wie die Anzahl der Zeichen" .
Das Ei der Zeichen wird "Ei von Amma, Hüter der Welt" ,
genannt. Wenn die Schöpfung beendet sein wird, und dann zerstört
sein wird, sagt man dann "das leere Ei von Amma hat das Leben auf
der Welt zerstört" , denn ebenso wie durch die Zeichen Amma
die Welt begonnen hat, ebenso negiert er sie durch die Zerstörung
der Zeichen.
|